Revolutionen sind angesagt
Von Herbert Vytiska
Dass die Blauen heute bei den Jungen punkten, darf nicht wundern.
über Veränderungen in der Parteilandschaft
Dass das ganz große Polit-Erdbeben ausblieb, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Zeitalter der Großparteien SPÖ und ÖVP vorbei ist.
Die Mobilisierung der letzten Reserven durch die SPÖ verdeckt bloß die Existenz politischer Großbaustellen. Die Inszenierung des Bürgermeisterduells ließ Problemlösungen für die Stadtentwicklung untergehen, versetzte die übrigen Parteien in fast wortloses Staunen, verhalf aber der FPÖ zu einer Bühne ständiger Präsenz. Sie errang so die Themenführerschaft beim Schüren von Ängsten und Vorurteilen.
Dass die Blauen heute bei den Jungen, aber auch bei der Middle-Age-Generation punkten, darf nicht wundern. Von der SPÖ haben sie vor allem die Arbeiter gewonnen, die sich an den Rand der Gesellschaft gedrängt fühlen. Von der ÖVP kamen jene Döblinger Regimenter, auch Wohlstandschauvinisten genannt, die sich daran delektieren, dass jemand verbal auf den Tisch haut.
Kommunikation
Nicht zuletzt ist eine massive Änderung im Kommunikationsverhalten eingetreten, die den Traditionsparteien viel zu spät bewusst wurde. Die ORF-ZiB, einst Leit-Medium des Tages, ist in Bezug auf die Zuseher am Weg zum Seniorenclub. Jüngere Wähler haben andere Interessen. Anstelle des persönlichen Gesprächs ist die SMS-Kultur getreten. Der Blick in Facebook kommt noch vor der Morgen-Lektüre der Gratiszeitungen. Politik ist bestenfalls eine abfällige Bemerkung wert.
Jetzt bloß in die Gremien zu gehen, die Ursachen zu beklagen, Besserung zu geloben, reicht nicht aus, um zu verhindern, eines Tages im Museum zu landen. Eine Revolution, die die geistigen und personellen Ressourcen fordert, wird unausbleiblich sein, will man das verhindern.
1983 hatte die Wiener Volkspartei noch 34,8 Prozent. Von da an ging’s bergab (mit ein, zwei Ausreißern), ohne wirklich gegenzusteuern. Diesmal wurde man einstellig. Konsequent fortgeschrieben könnte dies dazu führen, dass 2025 der Slogan lautet: "ÖVP wieder in den Landtag". Die Volkspartei war 1990 die erste der damaligen Noch-Großparteien, die die massive Abwanderung der Gewohnheitswähler zu spüren bekam. Die Sozialdemokraten waren vier Jahre später an der Reihe. Der Verlust der Hegemonie in Wien wiegt für die SPÖ so schwer wie die Einstelligkeit bei der ÖVP. Obwohl unterschiedlich verwurzelt, sind ÖVP und SPÖ fast schicksalshaft aneinandergekettet. Die eine Partei kommt früher, die andere später dran, aber beide bekommen die Rechnung für Versäumnisse serviert.
Wien ist ein Eckpfeiler, auf dem Österreich steht, stellt ein gutes Fünftel der gesamtösterreichischen Wählerschaft und ist längst keine Hochburg der Arbeiterschaft mehr. Aber auch das Bürgertum hat sich gewandelt. Die neue Stadt-Gesellschaft ist überall und nirgends, wartet aber darauf, abgeholt zu werden. Sie will Antworten statt Ankündigungen. Wer das nicht wahrhaben will, den bestraft die Geschichte.
Mag. Herbert Vytiska ist Publizist und Politikberater,Pressesprecher des ehem. ÖVP-Obmanns Alois Mock