Meinung

Reformen – wer muss sich davor fürchten?

Der Schritt, die Bemessungsgrundlagen anzugleichen, ist richtig

Mag. Gottfried Schellmann
über Reformängste der Politiker

Die Politik kündigt Reformen an. Die Betroffenen sollen sofort wissen, was sie zu erwarten haben. Der Kreis jener, die sich ab der Ankündigung des großen Vorhabens in die Psyche eines Zitterrochens hineinzuversetzen haben, soll denkbar klein sein, dennoch signifikant und nicht kernwählerident.


Feindbilder

Am besten sollte es eine Gruppe mit Eignung für ein Feindbild sein, damit die Mutigkeit des Reformers besonders wirksam dargestellt werden kann. So jüngst mit der Ankündigung geschehen, dass der Schritt, die Bemessungsgrundlagen von Lohnsteuer und Sozialversicherung zu harmonisieren, besonders die steuerberatenden Berufe treffen wird. Egal, wenn es trifft, jede Reform, die Erleichterungen für einen Großteil der Bevölkerung bringt, ist zu begrüßen. Eine Steuerreform, die zumindest bewirkt, dass die Zahl der Berater nicht mehr nachfragebedingt steigt, wäre schon ein Erfolg.

Pure Vision

Der Berufsstand des Steuerberaters könnte nur in einem Europa obsolet werden, in dem nach langem Ringen um eine Vollharmonisierung des Steuerrechts wieder der Zehent eingeführt würde. In der Ankündigung wird übersehen, dass der an sich wünschenswerte Schritt wenig bis gar nichts auslösen wird. Die Probleme der Personalverrechnung sind kaum in den unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen, sondern vielmehr in den arbeitsrechtlichen Bestimmungen zur Ermittlung des Entgeltanspruchs zu finden.

Vertragsvielfalt

Mehr als 450 Kollektivverträge, eine Vielzahl von Meldepflichten, Ausnahmen über Ausnahmen, die Tendenz der Sozialpartner, in den Kollektivverträgen Entgeltsbestandteile Lohnsteuer-gestaltend zu regeln, das ist die Ursache für die Komplexität. Steht der Entgeltanspruch einmal fest, kommt es nur noch auf die richtige Einfügung der Lohnbestandteile in jenes Feld an, welches das Lohnverrechnungsprogramm vorsieht. Die oft beklagte Komplexität der Rechtsordnung ist nicht von den Beratern, sondern eher von der Politik verursacht worden.

Vorbild Dänemark

Der Schritt, die Bemessungsgrundlagen anzugleichen, ist richtig, die Wirkungen werden überschätzt. Eine Reform, die hingegen tatsächlich umfassende Wirkungen hätte, wäre, sich dem dänischen Modell anzunähern:

keine Sozialversicherungsträger

keine Kammern

keine Länder

nur 98 Gemeinden

keine lohnabhängigen Abgaben, aber ein Sozialstaat und trotzdem bei der Belastung des Faktors Arbeit um Meilen besser als Österreich. So ein Modell würde die Politiker zur Zitterrochengemeinschaft werden lassen. Doch halt: Diese Gruppe erfüllt die Betroffenheitsbedingungen nicht. Es sind viel zu viele und Kernwähler.