ORF Reform? Vielleicht geht's doch noch
Von Kurt Bergmann
Man kann eine schlechte Politik durch Zugriff auf Medien nicht schönfärben
über notwendige Reformen beim ORF
Mit markigen Sprüchen und völlig unerwartet gab Bundeskanzler Werner Faymann am 23. Jänner 2012 in einem Interview mit dem „KURIER“ den Startschuss für eine längst fällige Reform des ORF: "die Österreicher wollen in erster Linie einen unabhängigen ORF… Das werden wir wohl zustande bringen." Am nächsten Tag verspricht der Vizekanzler eine „gewaltige Reform“ … noch in dieser Legislaturperiode.“
Medienstaatssekretär Josef Ostermayer richtete im Bundeskanzleramt die „Arbeitsgruppe ORF-Reform“ ein, der die Mediensprecher der Parteien, sowie Peter Huemer, Fritz Wendl und der Autor dieses Artikels als Berater angehören. Ziel der Verhandlungen: Eine neue Struktur der ORF Gremien, mit einem kleineren Stiftungsrat (nur mehr 15 statt 35 Personen), der mit Fachleuten beschickt wird, die sich in den Bereichen Wirtschaft und Medien ein hohes persönliches Ansehen erworben haben. SPÖ, ÖVP und GRÜNE waren gesprächsbereit. Nach vier Runden wurden Einzelgespräche vereinbart. Jetzt steht die Partie seit Wochen.
Denn: Was auf den ersten Blick als leicht zu lösendes mathematisches Problem erscheint, hat in Wirklichkeit enorme politische Sprengkraft.Die 35 Mitglieder des Stiftungsrates werden nämlich primär nach den Interessen ihrer Besteller ausgewählt und weniger nach ihren Eignungen. Allein 24 werden von Regierungen und Parteien „ernannt“ (neun von der Bundesregierung, neun von den Landesregierungen und sechs von den im Nationalrat vertretenen Parteien). Fünf nominiert der Betriebsrat, sechs der Publikumsrat - davon drei aus der mittlerweile vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Publikumswahl per Fax, die längst zur Spielwiese der Parteisekretariate geworden ist.
Unabhängigkeit
Daraus ergibt sich die derzeitige parteipolitische Zuordnung der Räte: Nur vier (!) der 35 gelten als unabhängig. 15 gehören deklariert dem „Freundeskreis“ der SPÖ an, 12 dem der ÖVP, zwei der FPÖ und je einer den GRÜNEN, bzw. dem BZÖ. Kein Wunder also, dass bei einer im Vorjahr veröffentlichten „Karmasin-Studie“ 75% der Befragten der Meinung waren, der ORF gehöre den Regierungsparteien (61% der SPÖ, 14% der ÖVP). Der alljährlichen Demokratiebefund der „Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform stellt auch für 2012 fest, dass „die in der Verfassung verbriefte Unabhängigkeit des ORF… nicht gewährleistet“ ist. Begründung: Wahlergebnisse verändern die Zusammensetzung des Stiftungsrates, keine geheime Wahl bei Personalentscheidungen, Stiftungsräte holen sich in Parteigremien Weisungen, Parteisekretariate machen Druck bei Personalentscheidungen (markantes Beispiel der Fall Pelinka). Anhörungsrechte werden als Mitbestimmung missverstanden
Die Vorschläge aus der „Arbeitsgruppe ORF-Reform“ und des Redakteursrates liegen auf dem Tisch. Der Vorsitzende der ORF Journalisten Dieter Bornemann sprach vor einigen Tagen in Richtung Koalitionsregierung enttäuscht von einem „Tag der gebrochenen Versprechen“. Seither kommen wieder ein paar mildere Worte von den Regierungsspitzen. Der Bundeskanzler und sein Vize wissen ja auch längst, dass man eine schlechte Politik durch den Zugriff auf Medien nicht schön färben kann und, dass nur ein parteipolitisch unabhängiger und objektiver Rundfunk die Informationen glaubwürdig an die Wähler bringt.
Vielleicht geht es doch noch. Schau ma amal!
Post Scriptum
Darüber hinaus führt die derzeitige Verweigerung der Refundierung für die vom Staat verordnete Befreiungen von der Rundfunkgebühr zwangsläufig zu einer verstärkten wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeit des ORF.