Meinung

Die Stadt des Sports und der Eitelkeit

Nun spielen sie selbst wieder die Hauptrolle auf ihrer eigenen Bühne, den lokalen Stränden.

Luis Fernando Ramos
über Rios Einwohner

Am Montag, wenn die ersten Sonnenstrahlen auf die Strände von Rio de Janeiro fallen, wird die Sportwelt verkatert aufwachen. Die XXXI. Olympischen Spiele der Neuzeit brachten alles, was man von einem Fest erwartet: Bereits legendäre Athleten haben den Olymp des Sports erreicht, nicht ganz so berühmte überraschten durch ihre Siege, Rekorde wurden gebrochen, manchmal hinterließ der Sportsgeist Tränen in den Augen der Teilnehmer, und Kontroversen sorgten für Diskussionen unter den Fans.

Während die Mehrheit die Ereignisse der vergangenen Wochen mit ein bisschen Sehnsucht und vielleicht auch Bewunderung in Erinnerung behalten wird, werden die Cariocas – die Einwohner Rios – erleichtert lächeln. Denn nun spielen sie selbst wieder die Hauptrolle auf ihrer eigenen Bühne, den lokalen Stränden.

In Ipanema, Copacabana oder Barra werden Tausende Cariocas endlich wieder auf den Gehsteigen laufen oder mit dem Fahrrad unterwegs sein. Viele werden Beachvolleyball oder Fußball im Sand spielen.

Das Meer wird von Surfern und Stand-up-Paddlern bevölkert sein, die Berge von Kletterern. Am Himmel tummeln sich wieder bunte Drachenflieger und Paragleiter. Die Olympischen Spiele von Rio werden definitiv nicht als die bestorganisierten in die Geschichte eingehen. Unter den bisher 23 Austragungsorten der Sommerspiele findet sich jedoch keiner mit einer größeren Obsession für den Sport. Der Körperkult in Rio ist wie eine Religion.

Ideales Klima

Es ist kein Zufall, dass die Stadt oft als "Freiluft-Fitnessstudio" bezeichnet wird. Durch das warme Klima und die geografische Lage begünstigt kann man sich das ganze Jahr über sportlich betätigen. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist dies Teil der lokalen Kultur.

Das lässt sich auch dadurch erklären, dass die brasilianische Bevölkerung extrem viel Wert auf die äußere Erscheinung legt. Die Zahlen bestätigen das: Knapp hinter den USA weist Brasilien die größte Anzahl an Fitnessstudios (und Schönheitsoperationen!) auf. Eitel zu sein, ist ganz normal.

Auch für die Unsportlichen ist der Strand ein perfekter Ort, um die athletischen Körper zu beobachten. Das war auch schon früher so. Anfang der 60er-Jahre inspirierte ein hübsches Mädchen am Strand Tom Jobim und Vinicius de Moraes zu einem der wohl berühmtesten Lieder der Welt: "Garota de Ipanema."

Luis Fernando Ramos aus São Paulo ist freier Journalist, er lebt in Wien und im Burgenland.