Meinung

Nachwuchssorgen

Anti-Aging-Cremen wären um 1900 ein Scherzartikel gewesen. Zumindest für Männer.

Mag. Simone Hoepke
über Altersfragen

Unsere Nichte bildet sich einen Italiener ein. Welchen genau, ändert sich alle paar Wochen.

Kaum ist ein Kandidat Geschichte, taucht verlässlich der nächste Nachwuchs-Celentano auf der Bildfläche auf. Besser gesagt im Chat-Verlauf. Solange es nicht Berlusconi samt seiner neuen Haarpracht ist, bin ich entspannt. Seine Visage macht mich nervös. Ich fürchte immer, dass eine Naht am Hinterkopf aufplatzt, wenn er mit seinem straffen Gesicht der nächsten 20-Jährigen nachpfeift.

Männer haben sehr unterschiedliche Strategien, um ihren biologischen Alterungsprozess zu kaschieren. Die einen suchen sich junge Frauen, die anderen pflanzen Beeren. Mein Cousin zum Beispiel. Er hegt und pflegt jetzt einen Aronia-Strauch. Um Restbestände seines einst schwarzen Haares zu retten. Die Beeren am Strauch sind schließlich voll gepumpt mit Antioxidantien. Hilft nicht nur bei Herz-Kreislaufbeschwerden, sondern auch bei Haaren, die zu ergrauen drohen. Hat ihm irgendein Experte erzählt. Ob er einen Scherz gemacht hat, ist schwer zu sagen. Schließlich weiß ich nicht, wie der liebe Herr Cousin ohne seine Beeren-Lese ausschauen würde.

Männer hatten es schon leichter. Um 1900, als mit dem Alter die gesellschaftliche Anerkennung kam. Anti-Aging-Cremen wären damals ein Scherzartikel gewesen. Heute werden sogar Cremen verkauft, die versprechen, über Nacht ein paar Zentimeter Bauchumfang wegzuradieren. In Österreich kein Verkaufsschlager. Den Wohlstandsbauch hat man sich schließlich hart erarbeitet.

Neulich gab es wieder eine Familienfeier. Alles wie immer. Die Nichte hat einen neuen Italiener aus der Datingplattform gefischt und zeigt Fotos in die Runde. Raunen am Tisch. Der Onkel will wissen, ob es sich auszahlt, dass er sich den Namen merkt. Die Tante kneift angestrengt die Augen zusammen, weil das Foto am Smartphone so klein ist. Resigniert holt sie dann doch ihre Lesebrille aus der Handtasche und liefert damit den Beweis, dass Robert Lembke Recht hatte: Die Brille ist der Sieg der Neugier über die Eitelkeit.