Muttertag
Von Gabriele Kuhn
Ich warte noch auf den herzförmigen Hamburger.
über den Muttertag
Muttertag. Das ist der Tag, an dem alles herzförmig daherkommt. Herzförmige Torten, herzförmige Bonbonnieren, herzförmige Billets. Ich warte noch auf den herzförmigen Hamburger. An diesem Tag bemühen sich alle ganz besonders. Die Kinder versuchen, nicht zu patzen, um beim Versuch, Mami das Frühstück ans Bett zu bringen, erst recht alles zu versauen (Wer immer gesagt hat, der Wille gehe vors Werk musste noch nie Hagebuttenmarmelade von der Ceranfläche kletzeln!). Der Mann versucht, einen frischen Blumenstrauß zu ergattern, der ihren Geschmack trifft (falls meiner das liest: Bitte! keine! Spraynelken!).
Die Mütter selbst versuchen gute Miene zum herzförmigen Spiel zu machen. Nein, vielleicht nicht alle Mütter: Aber ich. Ich habe den Muttertag nie leiden können. Deshalb rief ich nach der ersten Presswehe beim ersten Kind aus: "Leute, das tut verdammt weh, aber ich mache das freiwillig. Verschont mich also mit Muttertag, seid lieber so nett und helft mir beim Geschirrabwaschen. Und zwar, wenn's geht, täglich. Nicht nur den zweiten Sonntag im Mai." Die Kinder sind heute sehr dankbar dafür, sie tun, was sie an jedem Sonntag des Jahres tun: Sie warten auf ein feines Essen, möglichst Nudeln mit irgendwas. Und lassen mich den Geschirrspüler einräumen. Ich erzähle ihnen dann trotzdem, wie lieb ich sie habe. Aber ich sage ihnen auch - groß genug sind sie - wie schwer es in der Ära des "Powerfrauen-Aktionismus" ist, Mutter zu sein. Eine Frau, die "nur" Hausfrau ist, wird als dumme Nuss abgestempelt. Eine Frau, die viel arbeitet, gilt als erzieherische Nullnummer. Eine Frau, die sich gegen eine schlechte Ehe und für die Wahrhaftigkeit ihres Herzens entschieden hat, gilt als Versagerin. Schön, wenn die Kinder dann trotzdem lächeln und mit einer Stimme sagen: "Geh du! Das kann dir doch wurscht sein, du bist eh uresuper."
Wenn's dann Abend wird, und die Pubertierende nach der 230. What's App-Nachricht und dem 112. Facebook-Eintrag endlich den Tag ausklingen lässt, kommt er, der magische Moment, der jeden Muttertag obsolet macht. Dann, wenn sie die Augen bereits halb geschlossen hat und sagt: "Du bist die beste Mami der Welt." Ich frage: Wer braucht da noch Herzförmiges?
Und dennoch: Allen Müttern, die gegen die Widrigkeiten der Welt, ums Überleben, für ihre Kinder, gegen das Böse, für sich und für das Leben kämpfen mussten und müssen: Respekt vor Eurem Frau- und Menschsein. 365 Tage im Jahr.