Von einer, die auszog, um ins Nichts zurückzukehren
Von Anja Kröll
Heimat. Ich bin in einem Kärntner Bergdorf aufgewachsen. 1.200 Meter Seehöhe, 800 Einwohner und beinahe so viele Kühe. Die Einheimischen erkennt man daran, dass sie beim Autofahren den Zeigefinger hinter dem Lenkrad ganz langsam zum Gruß heben. Pamela Anderson lief in Baywatch in einem ähnlichen Tempo über den Strand. Nur tragen die Einheimischen in meinem Bergdorf seltener rote Badeanzüge.
Es gibt dunkelgrüne Wälder, schneebedeckte Berggipfel bis in den Hochsommer und eine Hauptstraße. Von der Kirche bis zum Supermarkt braucht man zu Fuß drei Minuten. Mit dem Auto sind es bis nach Wien viereinhalb Stunden. Mit 19 habe ich mich in dieses Auto gesetzt. Wer studiert, geht weg. Wer fertig studiert hat, bleibt weg. Wer Karriere macht, kommt zu Weihnachten auf Besuch. In meinem Bergdorf ist Landflucht mehr als eine Floskel.
Corona hat alles verändert. Die Stadt wurde pfui, das Land hui. Landflucht verwandelte sich zur Land(sehn)sucht. Weit weg von Menschenmassen und überteuerten Wohnungen. Rein ins Landleben mit Gärten und Hochbeeten.
Ich bin nicht geflohen. Sondern zurückgekommen. Bei Mark Forster klänge das so: Ich war in den Straßen New Yorks, zwischen Politikern der Welt, ich war am Hafen von Tema, trank Wein auf der Terrasse Idi Amins, genoss die Wärme der Nächte Ouagadougous, aß Fisch in Haiti, war feiern in Oxford…Die ganze Welt voll Abenteuer, wollt so viel wie‘s geht erleben. Aber dich, Baby, dich, nur dich gibt’s‘ nur einmal für mich.
Und Baby, hier bin ich. In einem Kärntner Bergdorf. 1.200 Meter Seehöhe, 800 Einwohner plus Einer, die auszog, um alles zu sehen und am Ende zu verstehen, dass das Nichts eines Bergdorfs völlig ausreicht.