Meinung/Mein Tag

Über Regeln unter Dächern

Als ich noch ein junger Teenager war, hat mein Vater mich eines Tages darum gebeten, seine Hemden zu bügeln. Damals war es noch recht üblich, dass Frauen für ihre Männer bügeln und er wollte mich wohl darauf vorbereiten, das eines Tages auch für meinen Partner zu tun. Ich war schon als junges Mädchen widerspenstig, um nicht zu sagen streitbar, und so diskutierte ich mit ihm darüber, wie ich denn dazu komme, diese mir zuwidere Aufgabe zu erfüllen. Irgendwann kam sein letztes Argument: „So lange du unter meinem Dach wohnst und die Füße unter meinem Tisch hast, gelten meine Regeln und du hörst auf mich, wenn ich dich darum bitte.“

Zähneknirschend machte ich mich ans Bügeln. Selbstredend, dass ich seinen Anweisungen nur widerwillig folgte und das Ergebnis wenig ansehnlich war. Letztlich bügelte mein Vater selbst.

Einige Jahre später – ich war Studentin und hatte meine eigene Wohnung – kam es, dass mein Vater eine Weile bei mir übernachten musste. Ich fand es schön, ihn auch einmal unter meinem Dach zu haben, aber irgendwann kam ein entscheidender Moment: Nach dem Abendessen ging es um den Abwasch und nach einigen Tagen nahm ich mir ein Herz und forderte ihn auf, das zu übernehmen. Er war kurz irritiert. Dann sagte ich: „Papa, du bist jetzt unter meinem Dach und es gelten meine Regeln. Da musst du eben auch im Haushalt mithelfen.“

Er dachte kurz nach, atmete tief ein und stand dann auf, um in die Küche zu gehen und das schmutzige Geschirr abzuwaschen. Ich hatte ganz kurz das Erfolgsgefühl, dass ich nach all den Jahren auch einmal die Regeln vorgeben konnte. Aber noch größer war mein Respekt dafür, dass mein Vater sich an seine eigenen Regeln hielt.

laila.docekal@kurier.at

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