Liebe. Löffelweise
Von Anja Kröll
Jede Familie hat sie: ihre ganz eigenen Rituale.
Wer erst bei Ritualen angelangt ist, hat es bis zur ganz eigene Art und Weise, um der Liebe der Familie Ausdruck zu verleihen, nicht mehr weit.
Ob meine Familie Sie mag, erkennen Sie an zwei Dingen: Kälte und Hunger.
Ist Ihnen kalt und Ihr Magen knurrt, ist’s mit der Zuneigung nicht weit her.
Serviert Ihnen die Mama aber Fleischlaberl mit Püree und heizt der Opa den Kamin mit Sichtfenster so stark ein, dass Sie im T-Shirt dasitzen, dann, ja dann, sind Sie knapp vor der Adoption.
Könnte man nun natürlich sagen, Essen und Einheizen sind Grundbedürfnisse. Selbstverständlichkeit sozusagen.
Aber selbst Selbstverständliches kann man mit Liebe oder Abneigung machen.
Besonders in der kalten Jahreszeit. Denn nachdem sich der Oktober offenbar doch daran erinnert hat, dass es nur noch knapp zwei Monate bis Weihnachten sind, zieht auch der Frost ins Land.
Und mit dem kommen die wohlig warmen Gerichte zurück. Suppen, Eintöpfe, Kartoffelpürees, Dals, Currys etc.
Und mit ihnen der Löffel.
Denn man kann ja vieles, aber einen Eintopf mit Gabel zu essen, ist fast schon sträflich. Bleibt die ganze gute Sauce im Teller und landet nicht im Mund.
Löffel-Gerichte sind in der Familie übrigens auch ganz hoch im Kurs.
Wieder so ein Geborgenheitsding. Vielleicht aber auch schlicht Kindheitserinnerung. Als man noch nicht mit Messer und Gabel essen konnte und alles voller Vorfreude mit dem Löffel in den Mund beförderte. Apropos Kindheit: Der Großvater einer Bekannten wuchs zu einer Zeit auf, als seine Familie so arm war, dass es nur einen Löffel gab, und der wurde beim Essen nach Alter der Geschwister weitergereicht.
Das zum Thema Selbstverständlichkeit.