Die Generation beziehungsunfähig setzt jetzt auf Situationships
Von Julia Pfligl
Ein angesagtes Lokal in Wien-Neubau, volles Haus, zumindest bis 22 Uhr. Die wenigen, die derzeit nicht omikronisiert sind, tauschen sich bei Cocktails und Tapas über das Leben und die Liebe aus.
So wie die Gruppe junger Frauen am Nebentisch. „Letztens war ich beim Speeddating“, erzählt eine und nippt ein bisschen zu aggressiv an ihrem Pisco Sour. „Es war eine Katastrophe. Alle doppelt so alt wie ich, der einzig Fesche war der Barkeeper.“
Ihre Freundinnen nicken zustimmend. Eine andere sagt: „Also bei mir ist es auch nicht besser. Ich glaube, ich bin jetzt in einer Situationship.“
Als wäre modernes Dating nicht schon kompliziert genug, fluten fast wöchentlich sogenannte neue „Datingtrends“ den Kennenlernkosmos. Die meisten davon muss man erst mal im Urban Dictionary oder der Cosmopolitan nachschlagen, um einigermaßen auf dem Laufenden zu bleiben.
Dort erfährt man dann etwa, dass es sich bei einer Situationship um eine neuartige Wortkomposition aus „Situation“ und „Relationship“ handelt, die das Liebesleben der chronisch unentschlossenen Millennials auf den Punkt bringt und während der Lockdowns an Fahrt aufgenommen hat.
Heißt: Man trifft einander regelmäßig zur gegenseitigen Bedürfnisbefriedigung, nimmt aber Abstand vom offiziellen Beziehungslabel. Ist zusammen, aber irgendwie auch nicht. Statt für die Zukunft lebt und liebt man eben nur für die jeweilige Situation.
Nicht zu verwechseln ist eine Situationship mit den artverwandten Konzepten Freundschaft plus (gute Freunde, die miteinander Sex haben) oder Mingles (mixed Singles).
Klingt kompliziert, ist es auch. Nicht so der Freundinnen-Cocktail: Zumindest da ist der Beziehungsstatus klar definiert.