Meinung/Mein Tag

Arztgespräche: Alter schützt vor Bevormundung nicht

Arztgespräche. Mit meiner Tochter habe ich schon unterschiedliche Kinderärzte besucht und bei der Entscheidung, wo wir uns am meisten wohlfühlen, war ein Kriterium entscheidend: Manche Ärzte haben mich als Mutter im Fokus und sprechen nur mit mir. Andere gehen auf das Kind ein, erklären, was da gerade passiert und beziehen es – unabhängig vom Alter (!) – in das Gespräch mit ein. Ja, das hat sogar schon im Babyalter funktioniert.

Dass man sich als Patient wünscht, vom Arzt oder der Ärztin wahrgenommen zu werden und erklärt zu bekommen, was mit dem eigenen Körper los ist oder welche Behandlung jetzt auf einen zukommt, liegt in der Natur der Sache. Ist aber nicht selbstverständlich und scheint wieder abzunehmen, je älter die Patienten werden.

„Wir verstehen ja, was gesagt wird. Man muss es nur manchmal langsamer oder einfacher erklären“, bat kürzlich eine Dame im Gespräch. Sie lebt mit der Diagnose Demenz, ist geistig aber noch sehr fit. Aus Selbsthilfegruppen weiß sie, dass es vielen so geht wie ihr: Bei Arztterminen wird nicht mehr mit den Patienten gesprochen, sondern mit den Angehörigen, die sicherheitshalber mitgekommen sind. „Wir sind da, sitzen vor ihnen. Und trotzdem wird nicht mit uns gesprochen, sondern über uns.“

Dazu braucht es nicht einmal die Diagnose Demenz. Kürzlich erzählte mir D., dass ihre Mutter wegen eines Leistenbruchs operiert wurde. Das Problem sollte mit einer Bauchspiegelung gelöst werden, die nur wenige kleine Schnitte erfordert. Als Tage nach der OP beim Hausarzt das Pflaster am Bauch entfernt wurde, gab’s die große Überraschung: Man hatte ihr den halben Bauch aufgeschnitten – sie war weder vorher, noch danach darüber informiert worden.

Klar, Ärzte stehen unter hohem Druck, vielleicht mehr als je zuvor. Das soll auch kein Vorwurf sein. Es ist ein Appell, bei all der nötigen Versorgung nicht auf ein wichtiges Detail zu vergessen: das Gespräch mit den Betroffenen.

laila.docekal@kurier.at