Wird Kurz Blau auf Dauer Herr werden?
Von Josef Votzi
Kurz hat FPÖ gebremst, nicht gestoppt. Ob er Strache Herr wird, wird zur Schlüsselfrage seiner Regierung.
über die Neuauflage von Schwarz-Blau
Der langjährige Korrespondent der renommierten "Neuen Zürcher Zeitung", Charles Ritterband, sprach vor der Wahl im KURIER einen Satz gelassen aus: "Es wird kein Stein auf dem anderen bleiben." Am Ende einer turbulenten Nachwahl-Woche ergeben die vielen Trümmer noch kein Gesamtbild, aber die ersten Konturen einer neuen Ära zeichnen sich ab.
Die SPÖ wusste auch nach der Wahl nicht, wohin sie will. Rot-Blau? Schwarz-Rot? Oder doch Opposition? Selbst im letzten ehernen Block der SPÖ, der Gewerkschaft, ziehen zwei Fraktionen in gegensätzliche Richtungen: Die einen haben kein Problem nach dem Blau-Nein-Danke-Schlachtruf über Nacht wieder auf Besser-mit-Blau-als machtlos umzusatteln. Die anderen wollen noch einmal mit Schwarz-Türkis ins Geschäft zu kommen. Wissend, dass das mit Kurz & Kern nicht gehen kann, wälzen sie Pläne für einen Wechsel an der Parteispitze. Kern zieht einmal mehr die Notbremse: Die Wahrscheinlichkeit für Rot-Blau liege "im Tausendstel-Promille-Bereich".
In der ÖVP heißt Wunschregierung Schwarz-Blau. Die große Mehrheit drängt darauf. Scheitern könnte das nur noch an Provokateuren in den eigenen Reihen, die eine "hidden agenda" Richtung Rot-Blau oder Schwarz-Ro t haben. Das ist in der aktuellen inneren Verfassung der ÖVP praktisch auszuschließen. Bei den Schwarzen, bei denen es bislang mehr Meinungen als Mandate gab, hören sich selbst Spitzenleute wie Sektenanhänger an: "Wir vertrauen darauf, was Sebastian hier vorschlagen wird ..." Bei den Blauen gibt es nach wie vor große Skepsis, von der ÖVP wie unter Schüssel über den Tisch gezogen zu werden – um als Tiger bei einer Wahl zu starten und als Bettvorleger in einer Regierung zu landen. Der Druck aus der Wirtschaft, die auf ihre gute Erfahrungen mit Schwarz-Blau in Oberösterreich verweist, zeigt aber auch in der FPÖ Wirkung.
Kurz hat den FPÖ-Vormarsch nicht gestoppt, aber gebremst. Im Vergleich zu den Umfragen noch vor einem Jahr (die FPÖ war damals haushoch und klar Nummer 1 vor SPÖ und ÖVP) hat Kurz es geschafft, die Machtverhältnisse eindeutig umzudrehen. Noch vor einem Jahr wäre die FPÖ am Wahlsiegerpodest gestanden. In der Hofburg und in Brüssel müsste man sich mit einem möglichen Kanzler Heinz Christian Strache auseinandersetzen – mit allen Folgen für das Image und internationale Standing Österreichs.
Ob Kurz der FPÖ auf Dauer "Herr" wird, bleibt noch offen. Das wird die Schlüsselfrage bei der derzeit am wahrscheinlichsten Neuauflage von Schwarz/Türkis-Blau. Schwarzmaler fürchten bereits, die ÖVP könnte von der FPÖ noch weiter nach rechts getrieben werden. Im Wahlkampf hat Strache aber erst gar nicht versucht, Kurz rechts zu überholen. Auch weil er weiß, dass Wahlen am Ende nicht an den Rändern, sondern nur in der Mitte zu gewinnen sind. Spannend und für die Koalition brenzlig könnte es spätestens dann werden, sobald die FPÖ realisieren muss, dass sie als Juniorpartner in der Regierung auch beim Wähler immer mehr Zweiter zu bleiben droht. Dann könnte einmal mehr gelten: Nach der Wahl wird kein Stein auf dem anderen bleiben.