Meinung/Kommentare/Innenpolitik

Wie begegnet Europa der Weltmacht China?

Die USA und China bestimmen Politik und Wirtschaft weltweit. Europa sucht noch nicht einmal seine Rolle.

Dr. Helmut Brandstätter
über China

Wie begegnet Europa der Weltmacht China? Natürlich sind die Bienen wichtig, das Bankgeheimnis sowieso, und verrückte Spekulationen von Provinzbeamten gehören abgestellt. Aber immer dann, wenn sich unsere Innenpolitik, keineswegs nur in Wahlkampfzeiten, auf dem Niveau der Pradler Ritterspiele einfindet, tut ein Blick in die Ferne gut.

Helmut Schmidt hat im Vorjahr im 94. Lebensjahr seine letzte Reise nach Fernost angetreten. Der SPD-Bundeskanzler (1974 –1982) hat in Singapur ein langes Gespräch mit Lee Kuan Yew geführt, dem nur fünf Jahre jüngeren Gründer und langjährigen Premierminister des erfolgreichen Inselstaates südlich von Malaysia. Daraus ist ein eben erschienenes Buch entstanden, das sich um die weltpolitischen Veränderungen der kommenden Jahre dreht, vor allem um die Rolle Chinas und Europas (Helmut Schmidt: Ein letzter Besuch, Begegnungen mit der Weltmacht China, Siedler).

Mit Staunen und Unverständnis betrachten wir den ökonomischen Aufstieg Chinas bei gleichzeitiger politischer Stabilität, den Wohlstand an den Küsten und die Macht der Partei, die sich kommunistisch nennt und auf den Markt setzt. Der Chinese aus Singapur, Harry Lee, wie er seit seiner Studentenzeit in England heißt, kommt im Gespräch mit Schmidt immer wieder darauf zurück, dass in China Religion nie eine Rolle spielte, aber auch die Markt-Kommunisten auf die Lehren des Philosophen Konfuzius aufbauen, der vor rund 2500 Jahren gelebt hat: Ziel ist ein ruhiges Leben in Harmonie, die Treue zum Herrscher gehört dazu.

Wo bleibt Europa? Und welches Europa?

China verfügt schon heute über Devisenreserven von 3 Billionen Dollar und wird 2035 die USA beim Bruttoinlandsprodukt überholen. Wie werden die Chinesen ihre Wirtschaftsmacht politisch nutzen? Harry Lee ist überzeugt: „So mächtig China auch sein wird, es wird die USA niemals angreifen.“ In der Tat war das Reich der Mitte auch in seiner Blütezeit nie expansiv, aber immer vorsichtig. So wird auch Nordkorea weiter unterstützt, weil die Chinesen keine gemeinsame Grenze mit Südkorea, einem Land mit US-Militärpräsenz wollen.

Und wo bleibt Europa? Harry Lee hat einen klaren, britisch geschulten Blick auf den alten Kontinent: „Europa muss sich entscheiden, ob es die Einheit und den Euro behalten will. Dann muss es sich weiter integrieren. Man kann nicht auf halbem Weg stehen bleiben.“ Klar ist den beiden alten Herren auch: Den Chinesen ist es wohl lieber, mit 27 schwachen europäischen Staaten zu verhandeln, aber die wird halt keiner ernst nehmen.

Und die Menschenrechte? Helmut Schmidt will auf „die Errungenschaften der Aufklärung nicht verzichten.“ Aber: „Westliche Regierungen sollten in Peking keine Belehrungen zu den Menschenrechten erteilen.“

China wird wieder Weltmacht, die USA wird mithalten können. Europa wird seine Tradition und Werte nur hochhalten können, wenn es wirtschaftlich und politisch gemeinsam auftritt.