Meinung/Kommentare/Innenpolitik

Wetten, dass die Lehrer nicht streiken

Berufsgruppen tun sich immer schwerer, ihre Interessen durchzusetzen. Das hat nicht nur Nachteile.

Dr. Helmut Brandstätter
über Lehrer

Diese Prognose ist einfach: Die Lehrer werden nicht streiken, selbst wenn der Nationalrat im Herbst das neue Dienstrecht beschließen sollte. Die Gewerkschafter sind nach ersten Protestrufen schon etwas ruhiger geworden und wollen sicher nicht Eltern, Großeltern und schließlich ganz Österreich gegen sich aufbringen. Es hat sich nämlich etwas verändert im Land: Was früher unter „wohlerworbene Rechte“ oder „besondere Umstände“ noch zu verteidigen war, erweckt heute das Misstrauen anderer Berufsgruppen.

Die ersten, die das verstehen mussten, waren die Piloten. Noch im Jahr 2003 konnten die AUA-Kapitäne das Management provozieren und unter Druck setzen. Im Juni (!) gab es damals eine „Grippe-Welle“. Der Vorstand wagte es nicht, Veränderungen gegen den Betriebsrat durchzusetzen. Neun Jahre später, 2012, wurde der Kollektivvertrag gekündigt. Oder die Ärzte: Früher war die öffentliche Meinung immer auf der Seite der Träger von weißen Mänteln, wenn diese durch die Innenstadt marschierten. Als der Elektronische Gesundheitsakt (ELGA) eingeführt wurde, versuchten es die Ärztefunktionäre wieder mit Drohungen, aber bisher ohne Erfolg.

Das ist natürlich die Stunde der Populisten, die ja nicht nur in den Parteien sitzen. Denn wenn es wirtschaftlich schwieriger wird und wenn die Gesellschaft Veränderungen erlebt, dann sieht jeder die angeblichen oder wirklichen Vorteile der anderen, während man sich selbst eher benachteiligt fühlt.

Der Wert der Arbeit

Früher waren die beachtlichen Gehälter von Piloten kaum einer Diskussion wert, jeder wollte ja sicher im Flugzeug sitzen. Aber warum staatliche Fluglinien besser bezahlen müssen als private, versteht halt keiner mehr. Oder die langen Ferien der Lehrer – darüber wurde eher gewitzelt als neidig diskutiert, die Pragmatisierung der Beamten war kaum der Rede wert. Aber wer spürt, dass sein Job nicht mehr ganz so sicher ist , schaut schon eher darauf und interessiert sich dafür, dass auch die unkündbaren Arbeitsplätze inzwischen deutlich besser bezahlt sind. Deshalb werden sich die Lehrer gerade bei der Frage der Kündbarkeit heute schwerer tun als früher.

Kindergartenpädagogen oder Volksschullehrer müssen genau so gut ausgebildet werden wie Lehrer in der Oberstufe. Die Betreuer der ganz Kleinen haben sogar noch mehr Verantwortung. Warum bekommen sie dann weniger Gehalt? Ohne mehr Pflegepersonal bricht bald unser Sozialsystem zusammen. Menschen, die diese besonders schwierige Arbeit übernehmen, sollten aber besser bezahlt werden als bisher.

Geld ist auch eine Anerkennung von Leistung. Deren Wert für die Gesellschaft ändert sich im Lauf der Zeit. Deshalb gibt es auch keine „wohlerworbenen Rechte“. Jede Berufsgruppe muss klarmachen, was sie zum allgemeinen Wohl beiträgt. Gerade ohne Wirtschaftswachstum haben wir eine schwierige Diskussion vor uns.