Wer KEINE Vision hat, braucht endlich eine
Die Politik will irgendwie weiterwurschteln.
über den Wahlkampf
Vor genau 24 Jahren, im Sommer 1989, war die Republik in Aufruhr. Während anderswo über das nahende Ende des Kommunismus diskutiert wurde, hatte man hier ein wichtigeres Thema: Darf Verkehrsminister Streicher die traditionellen schwarzen Autonummern abschaffen? Schon 15 Jahre zuvor hatten Gutachten nachgewiesen, dass weiße Kennzeichen durch ihre Rückstrahlung den Verkehr sicherer machen würden, also Menschenleben retten könnten.
Die Krone stand, wie meistens in gesellschaftspolitischen Fragen, auf der falschen Seite, aber weder der Boulevard noch der Künstler Hundertwasser konnten die weißen Schilder verhindern. Es hat halt lange gedauert, viel Geld gekostet und sogar Menschenleben gefordert.
Inzwischen läuft die Weltwirtschaft trotz einiger Krisen dynamischer, leider anderswo. Viele hervorragende österreichische Unternehmen und ihre Mitarbeiter haben diese Chancen genutzt, das Staatsbudget hat davon profitiert. Nur die politische Debatte dümpelt noch wie in den gemütlicheren Zeiten. Dabei sollte es in der Bildungsdebatte um Schulautonomie und nicht um ein paar Minuten Mehrarbeit für Lehrer gehen. Die Unis werden objektiv schlechter, während wir weiter sinnlos über Studiengebühren streiten. Unser Gesundheitssystem ist nicht so gut, dass es die enormen Ausgaben rechtfertigt. In der Forschung fehlt es an Geld und der richtigen Organisation, das Steuersystem ist ungerecht.
Wir haben nichts gelernt
Das ist alles ebenso bekannt, wie man spätestens 1974 genau wusste, dass weiße Nummerntafeln Leben retten. Aber 15 Jahre wurde Unsinn geredet und geschrieben. (Ein besonders dummes Argument lautete, man müsse sich von den Deutschen unterscheiden.)
WIFO-Chef Karl Aiginger hat dazu den wichtigsten Satz der Woche, vielleicht des gesamten Wahlkampfs gesagt. Im KURIER-Gespräch formulierte er: „Österreich muss sich eine Vision geben, wo es 2030 in einer globalisierten Welt steht.“
Jeder Wähler kann in den kommenden Wochen genau hinschauen, welche Partei am ehesten weiß, was zu tun ist. Der KURIER wird auch alle Aussagen darauf überprüfen, ob sie konkret und realistisch sind – und welche Auswirkungen sie auf die Bevölkerung hätten. Die üblichen Floskeln werden da nicht reichen. Gerechtigkeit – ja eh, gegen Arbeit haben wir auch nichts und die Entfesselung der Wirtschaft kann nicht schaden.
Aber was heißt das im Detail? Zwar werden wir schon bald wieder mehr Wachstum sehen, aber für viele neue Arbeitsplätze wird das nicht reichen. Wo also werden sinnlose Förderungen gestrichen, mit welchen Maßnahmen wird die Gründung von Unternehmen erleichtert, wer traut sich über wirkliche Reformen? In der Bürokratie, in der Schule, bei der Gesundheit?
Wir wollen noch im Wahlkampf klare Visionen hören und nötige Aktionen verstehen, die Zeit der üblichen Versprechen ist vorbei.