Was kann man dieser Regierung noch glauben?
Von Josef Votzi
Was kann man dieser Regierung noch glauben?
über den Rot-Schwarzen Neustart
Ganz Europa stand im Sommer 2011 im Banne des Massakers von Anders Breivik in einem Jugendlager auf der norwegischen Insel Utoya. Nicht nur deswegen wählte Österreichs neues Regierungsduo im ersten Doppel-Interview für den KURIER den Kammerton. Denn davor lagen lähmende Monate von innerkoalitionärer Blockade und öffentlichem Gezänk. Werner Faymann und Michael Spindelegger versprachen: "Wir werden das Gemeinsame in den Vordergrund stellen."
Drei Jahre danach: Gleicher Ort, gleiche Zeit, gleiche gute Vorsätze. Nur der Mann an Faymanns Seite ist wieder ein anderer. Mit Reinhold Mitterlehner probt seit der Implosion von Schwarz-Blau bereits der vierte ÖVP-Obmann den "Neustart" von Rot-Schwarz. Die Floskel wurde derart oft strapaziert, dass sie nur noch ermüdet. Warum soll Faymann/Mitterlehner gelingen, was schon Gusenbauer/Molterer, Faymann/Pröll und Faymann/Spindelegger vergeblich gelobt hatten? Wer hat in beiden Parteien persönlich ausreichend Kraft und politisch ausreichend Macht, die Besitzstandswahrer links liegen zu lassen und die Bremser rechts zu überholen?
Neue tragende Rolle für Foglar und Leitl
Faymann/Mitterlehner gehen daher mit einem größeren Misstrauensvorschuss an den x-ten Neustart, als ihnen vielleicht gerecht wird. Die ersten seriösen Umfragen ergeben ein ernüchterndes Meinungsbild: Der Wechsel an der ÖVP-Spitze wird in- und außerhalb der ÖVP zwar erleichtert begrüßt. An eine bessere Performance der Koalition glaubt aber die Mehrheit (zuletzt in einer OGM-Umfrage) nicht eine Sekunde lang.
Da ist noch reichlich Luft nach oben. Zwei Weichenstellungen haben zumindest das Potenzial, den gähnenden Leerraum aufzufüllen. Mit Hans Jörg Schelling zieht ein materiell unabhängiger Topmanager ins Finanzministerium ein, der auch Politik von der Pike auf gelernt hat. Als schwarzer Chef der Sozialversicherung hat er zudem nicht nur Spuren als Kostenbremser hinterlassen, sondern es auch geschafft, beim roten Gegenüber Vertrauen aufzubauen. Das kann Schelling gut gebrauchen. Denn die guten alten Sozialpartner sollen bei der "letzten Chance der Regierung für einen Neustart" (Franz Voves) wieder eine tragende Rolle spielen.
Bei der ersten Regierungsklausur Ende September werden auch die Spitzen der Sozialpartner mit am Kabinettstisch sitzen. Unausgesprochene Parole: Faymann, Mitterlehner, Foglar und Leitl wollen den verfahrenen Karren gemeinsam wieder flott machen.
Das ist – abseits der personellen Blutauffrischung – die politisch neue Weichenstellung im Regierungsviertel. Bei den Sozialpartnern ist ausreichend Sachverstand gebunkert. Als es noch viel zu verteilen gab, haben diese erfolgreich gezeigt, wie man Kompromisse schmiedet, die nicht nur das Land weiterbringen, sondern mit denen auch alle leben können. Die Schlüsselfrage für Faymann & Mitterlehner wird sein, ob Foglar & Leitl auch die gerechte Verteilung der Sparlasten so hinkriegen wollen und können.