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Viel Kappes rundum Helmut Kohl

Wer die neuen Bücher über den deutschen Altkanzler liest, denkt über die Mechanismen der Politik nach.

Dr. Helmut Brandstätter
über Helmut Kohl

Kappes, so nennt man im Rheinland den Weißkohl. In der Umgangssprache wird das Wort aber auch für Unsinn verwendet. Und über den großen Helmut Kohl, Bundeskanzler zwischen 1982 und 1998, wird im Moment viel Kappes geredet. Anlass ist das Buch seines Biografen Heribert Schwan.

"Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle" enthält nämlich auch Zitate aus Gesprächen, die Schwan mit Kohl geführt, dieser dann aber nicht mehr freigegeben hat. Seit Februar 2008 ist Kohl ein Pflegefall, seine Frau Maike Richter-Kohl will nur das Bild, das sie vom Altkanzler hat, veröffentlicht sehen. Jetzt gibt es den Vorwurf, der Journalist Schwan hätte dieses Protokolle nicht verwenden dürfen. Auch das ist Unsinn. Denn nicht die in den Medien schnell kolportierten Zitate wie "Merkel konnte ja nicht richtig mit Messer und Gabel essen" machen den Wert der Gespräche aus, sondern der Einblick in das Politikverständnis eines deutschen Kanzlers, der zunächst vielbelächelt und im Zuge der deutschen Einheit im Jahr 1990 sehr bewundert wurde.

So wie Helmut Kohl Politik verstanden und betrieben hat, könnte er heute nicht mehr erfolgreich sein. Und dass er im Jahr 2000 die Personen nicht nannte, die der CDU Geld gespendet hatten, spricht eindeutig gegen ihn.

Kohl war ein Beziehungspolitiker. Das galt für den kleinen CDU-Ortsverein ebenso wie für die Mächtigen der Welt. Überall lotete er am Telefon die Stimmung aus. Seine Schwäche: Es gab nur Freunde oder Feinde. Das ging quer durch die politischen Lager. Sein SPD-Gegenkandidat des Jahres 1990, Oskar Lafontaine, ist "einer der intellektuell spritzigsten und interessantesten Köpfe", Parteifreund Richard von Weizsäcker, Bundespräsident von 1984 bis 1994, "Gesocks, immer gegen mich."

Grober Kohl – menschlicher Kohl

Kohls Stärke: In den entscheidenden Monaten vor der deutsche Einheit im Jahr 1990 konnte er auf einer großen menschlichen Nähe zu den Staats- und Regierungschefs der Alliierten aufbauen. François Mitterrand hat er schon wenige Stunden nach seiner Vereidigung in Paris besucht; die Bilder, auf denen die beiden 1984 Hand in Hand über den Gräbern von Verdun stehen, haben weltweit großen Eindruck hinterlassen. Beim sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow gelang es ihm sogar, die Verstimmung, die durch seinen Vergleich Gorbatschows mit Goebbels PR-Fähigkeiten entstanden war, in persönliche Freundschaft umzudrehen. Freundliche Telefonate halfen immer: "Ich sagte mir einfach, jetzt möchte ich den britischen Premier John Major anrufen, ich sagte ihm, ich freue mich, deine Stimme zu hören." Auch Clinton bekam während der Lewinsky-Affäre telefonischen Zuspruch.Kohls wichtigste Leistung war zweifellos, den Deutschen immer die Notwendigkeit ihrer Einbindung in die Europäische Gemeinschaft klarzumachen. Wenn er Konflikte in der EU mit Geld regelte, tat er dies nicht klammheimlich, sondern stand dazu. Kohl: "Ein Kanzler muss sich in der Schlacht tummeln."