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Van der Bellen & Kurz, kann das gut gehen?

Die Achse zwischen Van der Bellen und Kurz könnte daher am Ende besser sein, als manchem Kurz-Basher lieb ist.

Josef Votzi
über Schwarz-Blau

Österreich hat bald mehr als zwei Jahre Wahlkampf hinter sich. Die begleitenden Erregungswellen schlagen "dank" der asozialen Medien heftig wie nie aus. Sie hinterlassen ein gespaltenes Land – mit jeweils gegensätzlichen Vorzeichen: Im Dezember 2016 unterliegt das siegesgewisse rechtsbürgerliche Lager. Noch heuer wird das linksliberale Lager zähneknirschend das Kanzleramt räumen müssen.

Binnen zehn Monaten haben die Österreicher in zwei Wahlgängen total konträr entschieden. Für die Hofburg küren sie einen Ex-Grünen, regieren sollen aber Kurz und Strache. Wie geht das? Annäherung an eine Erklärung:

Der Ex-Grüne machte weniger Angst als der Blaue. Der scheinbare Widerspruch zwischen Präsidenten- und Nationalratswahl beginnt sich aufzulösen, wenn man bedenkt, dass die Österreicher immer auf Ausgleich bedacht waren. Norbert Hofer ("Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist") war ihnen am Ende zu radikal.

Schwarz und Blau weckten mehr Vertrauen als Rot. Gewählt werden nicht die Leistungen von gestern, sondern die Erwartungen für morgen. So zählten am Ende nicht Steuersenkung, sinkende Arbeitslosigkeit und steigendes Wirtschaftswachstum. Die Wahl 2017 war im Kern eine Volksabstimmung über die künftige Migrationspolitik – gespeist vom Frust über die Sünden der verfehlten Zuwanderungspolitik der letzten Jahrzehnte. Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache wirkten hier am Ende berechenbarer als der panisch sprunghafte Christian Kern.

In der Politik zählt mehr denn je das Wie als das Was. Ideologien sind out. Dreiviertel der Österreicher halten Aussagen von Politikern generell für unglaubwürdig. Was Politiker sagen, ist daher immer weniger von Belang. Entscheidend ist, wie sie etwas sagen. Der richtige Satz zur richtigen Zeit im richtigen Ton entscheidet zunehmend über die Glaubwürdigkeit von Amtsträgern.

VdB und Kurz haben mehr gemeinsam als sie trennt. Beide sind Virtuosen des Wie, das Was überlassen sie lieber anderen. Van der Bellen ist nach mehr als einem Jahrzehnt als Grünen-Chef nur durch eines nachhaltig in Erinnerung geblieben, als "grüner" Kreisky light: Einer, dem man beim Nachdenken zuhören konnte und der versuchte, sein Publikum bei seinen politischen Überlegungen offen und geduldig mitzunehmen. Und zudem Ruhe und Gelassenheit ausstrahlte. Motto: Lasst mich nur machen, es wird schon halbwegs gut gehen. Auch Sebastian Kurz wird nach der 999. Frage zur Mittelmeerroute nicht müde, seine Politik freundlich bemüht so zu erklären, dass jeder Zuhörer seine Argumente bald selber nachsprechen kann. Präsident und Kanzler werden eher Partner als Konkurrenten. Beim Hausherren in der Hofburg ist aufgrund seines Alters und seiner überschaubaren Eitelkeit davon auszugehen, dass er sich nicht einer Wiederwahl stellt. Das macht das Verhältnis beidseitig unverkrampfter und berechenbarer. Die Achse zwischen Van der Bellen und Kurz könnte daher am Ende besser sein, als manchem Kurz-Basher lieb ist – und so auch zum wichtigsten Beitrag zu einer Entkrampfung zwischen den derzeit unversöhnlichen Lagern werden.