Meinung/Kommentare/Innenpolitik

Strache braucht eine Stenzel nicht mehr

Das Geschäft, Strache Wähler der Mitte zuzutreiben, haben längst andere ungefragt übernommen

Josef Votzi
über Straches neue bürgerliche Ikone Ursula Stenzel

Zu Beginn der Woche lieferte sie die erste Sensation des Wiener Wahlkampfs. Gestern Abend wurde sie als Trophäe beim traditionellen Wahlkampfauftakt der Blauen am Viktor-Adler-Markt herumgereicht: Die bürgerliche Ex-ORF-Journalistin und Ex-ÖVP-Politikerin Ursula Stenzel. Mit der Strategie, nach den roten Arbeitern auch das bürgerliche Lager aufzubrechen, hat schon Jörg Haider Wahlerfolge eingefahren. Wird jetzt Ursula Stenzel zum Symbol, dass dies auch Heinz-Christian Strache gelingen könnte? Eine erste OGM-Umfrage für den KURIER ergibt: Die Menschen lieben den Verrat,aber sie ächten den Verräter. Der Wechsel wird der FPÖ nutzen. Sympathien als Person hat Stenzel damit aber nicht gewonnen. Ob Stenzel mit ihrem späten politischen Partnertausch Strache ein neues Einfallstor ins bürgerliche Lager eröffnet hat, wird sich spätestens in fünf Wochen bei der Wien-Wahl zeigen.

Denn das Geschäft, Strache Wähler der Mitte zuzutreiben, haben längst andere ungefragt übernommen: Eine Regierung, die die Innenministerin im Ringen um mehr Flüchtlingsquartiere monatelang feige allein ließ. Die Bilder der Zelte und der Menschen, die in Traiskirchen zu Hunderten im Freien schlafen mussten, haben ein falsches Bild bleiern verfestigt: Österreich könne der vielen Flüchtlinge nicht mehr Herr werden.

Christdemokrat Orbán als blauer Wahlhelfer

Jetzt, wo sich die Lage dank gemeinsamer Anstrengung vieler Gutwilliger beruhigt und langsam ins Positive dreht, gießt ein Nachbar Öl ins Feuer. Ein Parteifreund Straches im Geiste provoziert bewusst ein Chaos: Die Aktion, in Budapest ein paar Hundert Flüchtlinge in einen Zug Richtung Westen zu locken, tatsächlich aber in ein ungarischen Lager entführen zu wollen, brachte die Lage endgültig außer Kontrolle.Viktor Orbán war erst jüngst gern gesehener Stargast beim 70. Geburtstag von Wolfgang Schüssel. Wo ist der Ex-Kanzler, wo sind andere Christdemokraten, um ihren Parteifreund in der "Europäischen Volkspartei" massiv in die Schranken zu weisen? Stenzel will ab sofort das Geschäft für Strache erledigen. Viele ihrer Gesinnungsgenossen a. D. tun es, indem sie untätig abseits stehen.

Die bürgerlichen Helden von heute sind nicht jene, die noch mehr polarisieren, sondern die pragmatisch und unbürokratisch etwas zur Bewältigung der größten Herausforderung der EU seit ihrer Gründung beitragen. Jene zahlreichen Bürger, die zum Westbahnhof aufbrachen, um zu helfen, als diese Woche die ersten Züge mit Flüchtlingen aus Budapest ankamen. Jene vielen Bürgermeister, die sich nicht wegducken, sondern offensiv Quartiere anbieten – wie etwa der Ortschef des mondänen Lech am Arlberg. "Wir haben viele zahlende Gäste. Es ist gut und recht, wenn wir auch Gäste haben, die Schutz und Asyl suchen", sagte er jüngst im KURIER-Interview: "Ich bin überzeugt davon, dass man fast in jedem Dorf eine Wohnung oder ein Haus findet, wo man den einen oder anderen Flüchtling unterbringen kann und soll."