Meinung/Kommentare/Innenpolitik

Regierung muss bei Lehrern nachsitzen

Ohne einen Reformschub weit übers Dienstrecht hinaus verspielt Rot-Schwarz seine letzte Schul-Chance.

Josef Votzi
über Bildung

Mühsam, zäh, deprimierend einfallslos“ – so beschreiben VP-Verhandler die Koalitionsgespräche. Die zweifelhaften Attribute gelten dem roten Gegenüber. „Es wird schon, es braucht noch; einige stecken noch immer in der Abkühlphase nach dem Wahlkampf“, mahnen SPÖ-Unterhändler im Gegenzug mehr Gleichmut im schwarzen Lager ein. Wir schreiben Woche acht nach der Wahl. Mit dem Ausgang sind Rot und Schwarz unglücklich. Beide hätten gerne eine Alternative zur Fortsetzung der ermüdeten Koalitions-Ehe – und sei es nur als Trumpfkarte am Verhandlungstisch. Denn bei Lichte besehen bleiben Faymann & Spindelegger nur die Aussicht auf fünf weitere gemeinsame Jahre – oder der hochriskante Gang in die Opposition.

Für den proklamierten Restart als „Koalition neu“ muss Rot-Schwarz noch einmal Anlauf nehmen. Den ersten hat sie mit dem Missmanagement beim „Budgetloch“ verbockt. Vor dieser Kulisse spielt das Stück: Regierung zieht das neue Lehrer-Dienstrecht durch. Mit einem Beschluss auch gegen den Willen der Gewerkschaft will sie Stärke demonstrieren. Es ist billig und falsch, ihr vorzuwerfen, sie wolle damit nur vom Budget-Desaster ablenken. Die Absicht, sich nicht weitere zwölf Jahre von Fritz Neugebauer am Nasenring führen zu lassen, hat die Koalition alt schon vor der Wahl stimmenheischend bekundet.

Nagelprobe nach Neugebauer

Anzukreiden ist ihr, dass sie weiter den überkommenen österreichischen Weg zu gehen droht: Zu spät und mit halben Mitteln. Das Lehrerdienstrecht ist bestenfalls ein kleiner Baustein für ein zeitgerechtes Schulangebot. Die Koalition will dieses Vorwahl-Versprechen eine Woche vor der Bescherung im Parlament einlösen. Die Nagelprobe ist nach dem demonstrativen Kräftemessen mit Neugebauer erst eröffnet. Denn an den Kardinalfragen schwindelt sich die Regierung mit der Parole „Hurra, wir setzen uns gegen die Betonierer durch“ vorbei.

„Die Lehrer gehören 40 Stunden an die Schule“, sagt der praktizierende Hauptschul-Pädagoge, Autor und KURIER-Kolumnist Niki Glattauer im Sonntag-Interview: „Wie viel Lehrer über die Kernarbeitszeit hinaus unterrichten“, solle „schulautonom“ geregelt werden .

Damit wäre nicht nur der Weg zu mehr Ganztagsschulen mit verschränktem Unterricht schneller und leichter gangbar. Mit der letzten Glocke wäre auch der Tag für die Schüler erledigt; und der Krampf mit Hausaufgaben und teurer Nachhilfe für viele Eltern Geschichte. Schulprobleme lösen hierzulande zwei Drittel der Familienstreitigkeiten aus, ergab jüngst eine Untersuchung.

Sparsameres Haushalten mit weniger Steuereinnahmen wird unvermeidlich sein. Breiter Applaus dafür wird länger auf sich warten lassen. Ein gemeinsamer Kraftakt in Sachen Schule weit über das Lehrer-Dienstrecht ist überfällig und könnte nachhaltig breiten Gefallen finden.

Wenn die „Koalition neu“ einmal mehr bei der Lösung dieser Hausaufgaben versagt, hat sie ihre Chance auf nochmaliges Nachsitzen verwirkt.