Meinung/Kommentare/Innenpolitik

Nicht nur alles oder nichts, aber zwanglos

Alles oder nichts. Dienst oder Krankenstand.

Karin Leitner
über Krankenteilzeit

Trotz Krebses hat Barbara Prammer gearbeitet; bis kurz vor ihrem Tod. Die Nationalratspräsidentin wollte das. Auch andere Menschen mit derlei Diagnose werken. Von einem Arzt als "arbeitsfähig" qualifiziert müssen sie sein. In Österreich gilt nämlich: Alles oder nichts. Dienst oder Krankenstand. Das ist gut und richtig (Grippige etwa haben sich auszukurieren), aber nicht in allen Fällen das Beste. Viele Krebs-, chronisch oder psychisch Erkrankte würden – sofern körperlich dazu befähigt – gern arbeiten. Ein paar Stunden oder Tage zumindest. Das sollte fortan auch möglich sein – weil es Arbeitnehmern und Unternehmern etwas bringt. Das Gefühl, "nicht mehr dabei" zu sein; das Problem, keine Tagesstruktur zu haben; die Sorge, den Job zu verlieren – all das fördert, erwiesenermaßen, den Heilungsprozess nicht. Es drückt noch mehr auf die Seele. Zu Ablenkung statt Grübelei raten auch Mediziner. Der Vorteil für den Arbeitgeber: das Know-how eines Mitarbeiters kommt ihm für längere Zeit nicht gänzlich abhanden.

Eines darf freilich nicht passieren: Dass Menschen unter Druck gesetzt oder gar verpflichtet werden, in schlechtem Zustand ins Büro, an die Supermarktkassa oder auf die Baustelle zu gehen. Nach dem Motto: Bei diesem Befund sind 50, bei jenem 25 Prozent Arbeitsleistung zumutbar. Ein sanfter Wiedereinstig auf Wunsch des Patienten mit Sanktus der Ärzte sollte es sein.

Es wird wohl dauern, bis sich Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertreter wegen der unterschiedlichen Interessenslagen einigen. Geht es doch auch darum, wer ab wann wie viel zahlt. Es ist aber schon ein Fortschritt, dass sich Politik und Sozialpartner eines Themas annehmen, das in nordischen Ländern längst keines mehr ist.