Meinung/Kommentare/Innenpolitik

Die Rückeroberung der Glaubwürdigkeit

Merkel will konservativen Wählern wieder ein Angebot machen. Eine überfällige Offensive

Mag. Evelyn Peternel
über Angela Merkel

Angela Merkel hat gewusst, dass sie etwas tun muss. Lange, beinahe zu lange hat sie die Kritiker aus der Partei ignoriert, nicht hingeschaut, wie viele CDUler Richtung AfD abdriften.

Beim Parteitag in Essen hat sie nun die Reißleine gezogen – und eine Kampfansage gegen die Rechtspopulisten formuliert, die vor allem die Partei befrieden sollte, aber auch als überfälliges Angebot an die Wähler dient. In der CDU rumorte es, weil sich die Partei entkernt fühlte; zwar hat Merkels Motto, den Gegner durch "Zu-Tode-Umarmen" seiner Inhalte zu berauben, ihr SPD- und Grün-Wähler beschert, doch den Umgang mit dem Feind von rechts machte das nicht einfach. Wie soll man konservative Wähler einfangen, wenn man zeitgleich für liberale Werte steht? Wie soll man eine Partei kleinkriegen, deren Entstehung man selbst befördert hat?

Dass das funktionieren kann, muss Merkel beweisen. Sie hat nicht plump rechtspopulistische Inhalte kopiert, sondern eine rote Linie nach rechtsaußen gezogen – und zeitgleich das konservative Vakuum, das sie selbst erzeugt hat, gefüllt. Schon jetzt hat Deutschland eines der schärfsten Asylgesetze – diesmal war es Merkel auch ein Anliegen, das zu kommunizieren: Neben einem Nein zur Scharia kann ein Ja zu Toleranz stehen, so ihre Botschaft.

Die CDU hat sie dafür mit viel Applaus bedacht – 89,5 Prozent Zustimmung bei der Wiederwahl hätte Merkel vor einigen Montanen nicht erwarten können. Man hatte in Essen sogar einen ähnlichen Eindruck wie bei Frankreichs Konservativen: Die CDU hat verstanden, dass das Gespenst, das durch Europa geistert, nicht mit Parolen, sondern nur mit Inhalten zu besiegen ist. Bleibt zu hoffen, dass sich davon auch jene angesprochen fühlen, denen etwas anderes fehlt: die Glaubwürdigkeit in der Politik.