Meinung/Kommentare/Innenpolitik

Sendungsbewusste statt Sesselkleber

Ideologien sind immer weniger gefragt, Persönlichkeiten zählen immer mehr

Karin Leitner
über die Wahlbeteiligung

Die Voraussetzungen für Andrang an den Tiroler Wahlurnen schienen gut zu sein. Mit elf Listen gab es so viel Auswahl wie noch nie. Für jeden Polit-Gusto hätte etwas dabei sein müssen. Jenen, die genug von den Regierenden hatten, boten sich etablierte Oppositionsparteien und Newcomer als Alternative. Und dann das: Selbst inklusive Briefwähler haben in Tirol am Sonntag so wenige Bürger abgestimmt wie bei keiner Nationalrats- und Landtagswahl seit 1945. Das just in einem Land, in dem Tradition hochgehalten wird. Es ist ein Alarmsignal weit über dessen Grenzen hinaus.

Mit dem Verweis auf die zunehmende Wahlmüdigkeit in allen Demokratien, mit Frust über die Politik ist es nicht getan. Es liegt auch an den Spitzenleuten in den Parteien. Ideologien sind immer weniger gefragt, Persönlichkeiten zählen immer mehr. Derer fehlt es in Tirol.

Günther Platter mag ja vieles haben, Strahlkraft hat er nicht. Dass die ÖVP mit ihm reüssieren hat können, rührt daher, dass seine Herausforderer noch blasser sind. Vor allem die Anführer der klassischen Protestparteien. Stronachs Tirol-Statthalter: Ein Polit-Novize, der nicht einmal in den eigenen Reihen überzeugt. FPÖ-Mann Hauser: Bemüht, aber keine Frontfigur. Bestes Beispiel, wie sehr Wahlergebnisse an Kandidaten hängen: Mit ihm auf Platz 1 kam Fritz Dinkhausers Truppe 2008 auf 18,4 Prozent. Jetzt, nicht mehr angeführt vom mundflinken Rebellen, ist sie abgestürzt – auf 5,6 %.

Dampfplauderei ist freilich zu wenig für langfristigen Erfolg. Angesagt sind Repräsentanten, die glaubhaft Botschaften vermitteln, die das Gefühl geben, nicht nur zu reden, sondern auch zu handeln. Diese Spezies ist rar – auch außerhalb Österreichs. Macht und deren Erhalt, Posten und deren Verteidigung: das leitet viele Politiker an – und stößt jene ab, die von ihnen vertreten werden sollen.