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Ohne neue Story ist SPÖ reif fürs Historyland

Ohne neue Story ist SPÖ reif fürs Historyland.

Josef Votzi
über das Partei-Jubiläum

Es war Fernsehen vom Feinsten: Andre Heller ließ Alfred Gusenbauer am Dreikönigstag auf ORFIII über sein Leben reden. 100 Minuten können lähmend lang sein, dieses Gespräch blieb bis zur letzten Minute spannend. Der Bauarbeitersohn, Jahrgang 1960, machte für Nachgeborene plastisch, warum eine Partei, die heute zittern muss, unter 25 Prozent zu fallen, in den 70er-Jahren auf absolute Mehrheiten abonniert war. Für die Generation Gusenbauer stand die SPÖ für Modernität, Weltläufigkeit und die Aufstiegschance vom Arbeiterkind zum Akademiker. Für Teenager der 2000er-Jahre ist die SPÖ eine betulich biedere alte Tante, wenig attraktiv außerhalb des engsten Familienkreises.

Auch beim Fest zum 125. Geburtstag gestern im niederösterreichischen Hainfeld, dem Gründungsort der SPÖ‚ blieb man weitgehend unter sich. In der Hochblüte der Partei unter Bruno Kreisky hätte sich die Elite des Landes darum gerissen, dabei zu sein.

Frontverlauf von gestern

Hat der liberale Vordenker Ralf Dahrendorf mehr denn je recht mit dem legendären Satz „Das sozialdemokratische Jahrhundert ist zu Ende“? Chancengleichheit, Verteilungsgerechtigkeit und Solidarität gehören zu den Leitmotiven aller Volksparteien von den Christ- bis zu den Sozialdemokraten. Für beide aber sind die goldenen Zeiten vorbei, als sie das Gros der Wähler hinter sich scharten.

Zornige junge Arbeiter fühlen sich von Heinz Christian Strache angezogen; abenteuerlustige Jungakademiker neuerdings von Matthias Strolz.

Den politischen Niedergang der Antikapitalisten hat der Beinahe-Crash des Finanzsystems 2008 paradoxerweise verschärft: Rezepte gegen sinkende Realeinkommen und steigende Arbeitslosigkeit suchen immer weniger europaweit bei der Sozialdemokratie. Auch die SPÖ findet immer weniger Antworten auf die Fragen von heute. Sie pflegt mit Hingabe den Frontverlauf von gestern: Hier die wohlhabenden Unternehmer und Selbstständigen, dort die hilfsbedürftigen Arbeiter und Angestellten.

Die größte Gruppe an Privilegierten findet sich heute freilich gut abgeschirmt vom rauen Wind des Wettbewerbs im Dunstkreis von Bund, Ländern, Sozialversicherung , Kammern und staatsnaher Wirtschaft – als Besitzer wohlerworbener Rechte, die sie mit Zähnen und Klauen gegen die da unten verteidigen. Die verdingen sich heute zu Hunderttausenden als neue (Schein-)Selbstständige und kommen als Ein-Personen-Unternehmer auch mit Selbstausbeutung gerade über die Runden. Am unteren Rand der Gesellschaft rangiert nicht mehr das Proletariat, sondern das Prekariat: Das wachsende Heer junger Menschen, das sich von unbezahltem Praktikum zu unterbezahltem Praktikum hantelt und mit Ende zwanzig unfreiwillig noch immer im Hotel Mama logiert.

Die SPÖ zum 125. Geburtstag endgültig auf dem Weg ins History-Land? Eine glaubwürdige Story, die ihr Wachstum für die nächsten Jahre verspricht, ist weit und breit nicht auszumachen.