Meinung/Kommentare/Innenpolitik

Österreich zerfällt in verschiedene Regionen

Politiker von Bregenz bis Graz proben den Aufstand.

Dr. Helmut Brandstätter
über die Los-von-Wien-Töne

Vom Bodensee aus erscheint Wien nicht nur sehr weit entfernt, irgendwo hinter den Bergen, es eröffnen sich auch ganz andere Perspektiven. Zürich oder München sind nur eine gute Stunde entfernt. Politische Diskussionen, vor allem aber wirtschaftliche Entwicklungen in der Schweiz oder in Deutschland sind für einen Vorarlberger wichtiger als das Gezerre in einer Bundespartei, die da doch wieder nur auf den Osten der Republik Rücksicht nimmt. Die Alemannen haben auch den wirtschaftlichen Erfolg auf ihrer Seite. Die gesamte Bodenseeregion erarbeitet ein Bruttosozialprodukt, das dem von Finnland entspricht.

Unzufriedenheit über „Die Wiener“ ist nicht neu in der heimischen Politik. Aber in den letzten Wochen wurde aus dem üblichen Gemurre ein Widerstand, vor allem bei den Schwarzen. Steirische ÖVP-Abgeordnete reden nicht nur abschätzig über die Parteispitze, sie drohen gar – via KURIER – mit Verweigerung des Budgets im Nationalrat. Wilfried Haslauer will mit seiner Salzburger ÖVP die Werte der Partei neu definieren, egal ob das Ergebnis in Wien gefällt. Und in Vorarlberg reden die Sozialpartner schon von eigenen Wegen.

Der Vorarlberger ÖGB-Chef Norbert Loacker ist ohnehin kein Freund, sondern im Gegenteil ein Parteifreund von Bundeskanzler Faymann. Er kritisierte ihn dafür, dass er Regierungsverhandlungen mit der FPÖ verweigerte und meinte kürzlich im beliebten Ländle-ORF: „Wir brauchen eine neue Achse der Sozialpartner und Bürgermeister, um die Regierung in Wien unter Zugzwang zu bringen, wobei die Regierung schon ein Ablaufdatum hat.“ Der Bregenzer Wirtschaftskammerpräsident Manfred Rein fordert: „Schluss mit ideologischen Scheuklappen. Wenn die Regierung dieses Jahr den Neustart nicht schafft, dann ist das erledigt.“

Los-von-Wien-Töne

Wenn die Bundesregierung klug ist, nimmt sie diese Los-von-Wien-Töne zum Anlass, endlich ernsthaft zu diskutieren, wo der Bundesstaat Kompetenzen braucht, und wo die Länder mehr Rechte bekommen sollen. Egal ob Zentralisten oder Föderalisten, alle sind sich ja einig, dass wir im kleinen Österreich zu viele Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung haben, die nicht nur viel Geld kosten, sondern auch die Wirtschaft unnötig behindern.

In der Schule werden künftig mit der Zentralmatura die Bildungsziele vorgegeben werden. Wie diese erreicht werden, das muss in der Wiener Donaustadt oder im Gasteiner Land möglicherweise ganz unterschiedlich organisiert werden.

Umgekehrt müssen die Abgeordneten zum Nationalrat wissen, dass sie Bundesgesetze für den Bundesstaat zu beschließen haben und nicht Lobbys ihrer Landesorganisationen sind. Die Landeshauptleute sind stark genug, um die Interessen im Bund durchzusetzen. In Österreich, wo Bundes-Verfassung und Real-Verfassung oft wenig miteinander zu tun haben, muss auch Selbstverständliches manchmal gesagt werden.