Mikado spielen ist kein Polit-Programm
Über ernsthafte Reformen wird seit Jahrzehnten geredet, aber keine Regierung hatte die Kraft dazu.
über notwendige Veränderungen
Mikado ist ein Geduldspiel. Langsam muss man ein Stäbchen berühren, aber so, dass sich die anderen nicht bewegen. Wie in der Parallel-Welt der Politik, wo man interessiert beobachtet, dass sich Wirtschaft und Gesellschaft verändert haben, aber man doch gerne die alten Gewohnheiten behält. Nur nicht bewegen, dann wird alles gut gehen.
Seit bei einem Kassasturz, der keiner sein sollte, ein Budgetloch von zunächst 40 Milliarden Euro für die nächsten fünf Jahre auftauchte,das durch viele Rechenübungen auf 24 Milliarden schrumpfte, ist mit dem Mikadospielen Schluss. Der Präsident des Rechnungshofes, Josef Moser, ein Mann, der sonst nicht in die Öffentlichkeit drängt, formulierte trocken: „Wenn nichts passiert, fahren wir gegen die Wand.“ Aber was soll passieren? Welche Sparvorschläge sind sinnvoll, welche Reformen dringend nötig?
Jetzt rächt sich, dass SPÖ und ÖVP seit vielen Jahren das Land – recht ordentlich – vor sich hin verwalten, aber in beiden Parteien nicht mehr grundsätzlich darüber nachgedacht wird, was Politik kann und tun muss. Das Wort Gerechtigkeit ist schnell plakatiert, aber wie sieht eine gerechte Gesellschaft aus? Luxuspensionen für jedermann? Die Wirtschaft soll entfesselt werden, aber wie sieht eine Verwaltung aus, die die Wirtschaft nicht behindert? Auf diese Fragen haben wir nur schlichte Antworten bekommen. Die Gewerkschaft glaubt, dass höhere Steuern zu mehr Gerechtigkeit führen, und die SPÖ betet das nach. Die Wirtschaftskammer freut sich über den strengen Ladenschluss und der ÖVP fällt dazu nichts ein. Beide Parteien hatten einmal interessante Vordenker, die sich nicht unbedingt an den Sozialpartnern orientiert haben, aber das ist lange vorbei.
Protektionismus kontra Europa
Das ist umso gefährlicher, als anderswo, in Frankreich etwa, die extreme Rechte viel Zeit in die Erarbeitung von Grundsatzprogrammen investiert hat. Da entstanden Ideen, die auch bei uns auftauchen werden. Die FPÖ will ja mit Marine Le Pens Front National kooperieren und sich einiges abschauen. Und da fällt auf, dass die rechte Frau Le Pen Mitarbeiter und Vorschläge des früheren sozialistischen Ministers Jean-Pierre Chevènement abgeworben hat. Chevènement war ein linker Etatist – der Staat lenkt und reguliert die Wirtschaft. Das will auch die rechte Le Pen, verbunden mit einem strengen Protektionismus, einem klaren Gegenprogramm zur EU. Statt Wettbewerb Schutz der eigenen Unternehmen.
Das wäre für Österreich ein gefährlicher Weg, weil unser Wohlstand am Export hängt. Aber es klingt so verlockend: Unser Geld für unsere Leut’. Dagegen muss die Regierung aktiv auftreten, aber das kann sie nur, wenn sie weiß, was sie will. Und wenn die Parteien grundsätzliche Vorstellungen haben, wie ein moderner Staat aussehen soll. Mikado als Programm funktioniert nicht. Im Gegenteil: Die Veränderungen kommen, über deren Gestaltung müssen wir noch heftig streiten.