Meinung/Kommentare/Innenpolitik

Kein Justizskandal und kein Freispruch

Dass Strasser die Hand aufgehalten hat, steht fest, aber wofür genau?

Ricardo Peyerl
über die Aufhebung des Strasser-Urteils

Es war nicht unbedingt zu erwarten. Aber wer den als Tüftler gefürchteten und als Autor geschliffener juristischer Kommentare geschätzten Präsidenten des Obersten Gerichtshofes kennt, konnte nicht bass erstaunt darüber sein, dass Eckart Ratz „ein Haar in der Suppe“ finden würde.

Das „Haar“ ist, vereinfacht gesagt, eine fehlende Konkretisierung im Urteil: Dass Strasser die Hand aufgehalten hat, steht fest, aber wofür genau?

Man kann es als Armutszeugnis ansehen, dass den Mangel nicht schon früher jemand entdeckt hat. Nicht der Erstrichter selbst, der sich im Urteil mehr mit der Strafhöhe und dem davon ausgehenden Signal beschäftigt hat. Nicht die Generalprokuratur, die den Ruf als Hüterin der Gesetze genießt und Empfehlungen an den OGH zu geben pflegt. Nicht der Verteidiger, der mit allen seinen Beschwerden gegen das Urteil abgeblitzt ist. Und nicht einmal der Gesetzgeber, also das Justizministerium und das Parlament, die erst 2012 die Gesetzeslücke entdeckt und geschlossen haben: Nunmehr ist es auch strafbar, sich ganz allgemein für eine unbestimmte pflichtwidrige Amtstätigkeit schmieren zu lassen, also grundsätzlich bestechlich zu sein; für Strasser käme dieser Paragraf zu spät.

Die Entscheidung des OGH ist kein Justizskandal, wie in sozialen Netzwerken verkündet wird. Sie ist aber auch kein Freispruch für Strasser. Präsident Ratz hat deutlich gemacht, dass der „Nachzipf“ für das Erstgericht schnell erledigt werden kann. Man braucht nur aus den heimlich mitgeschnittenen Videos der Treffen zwischen Strasser und den getarnten Journalisten schöpfen und das im schriftlichen Urteil festmachen.

Laut seinem Anwalt ist Strasser politisch und gesellschaftlich tot. Eine strafrechtliche Wiederauferstehung steht aber auch nicht bevor.