Meinung/Kommentare/Innenpolitik

Geringe Chancen für neue Regierungen

Uns Wählern bleibt de facto also nur die Wahl, ob wir Faymann oder Spindelegger als Kanzler wollen.

Dr. Helmut Brandstätter
über den Wahlkampf

Das wird ein langer Wahlkampf, 141 Tage haben wir noch bis zum 29. September. Da sollten auch die gewöhnlich Neidigen hoffen, dass sich die Politiker einen ausgedehnten Sommerurlaub gönnen. Die vielen Plakate mit Parolen, wie die Parteien nach der Wahl das Land, diesmal aber wirklich, verbessern, werden noch ordentlich nerven.

Es ist ja prinzipiell gut, dass jetzt darüber nachgedacht wird, welche Vorschläge das Zusammenleben in Österreich angenehmer machen könnten, wie die Schulen effizienter und das Steuersystem endlich etwas gerechter werden könnte. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass eine Partei im kommenden Oktober, ausgestattet mit absoluter Mehrheit im Nationalrat, ihr Programm umsetzen kann, ist gleich null. Leider. Die Gefahr, dass jetzt viel versprochen wird, was man aber aus Rücksicht auf einen Koalitionspartner nach der Wahl nicht wird umsetzen können, ist dafür riesig. Leider.

Beginnen wir mit dem drückenden Problem der Steuern. Zitat Fekter, ganz einsichtig: „Unser System ist unsozial und ungerecht.“ Die ÖVP will das mit einer Steuersenkung ändern, das sagt so klar, wie nie zuvor, Vizekanzler Spindelegger im KURIER. Die SPÖ sieht sogar eine Steuerreform nur, wenn wieder Vermögenssteuern eingeführt werden, der ÖGB will eine Erbschaftssteuer ab 150.000 Euro. Wie soll das alles gleichzeitig in ein Regierungsprogramm?

Immerhin: Einigkeit beim Euro

Dasselbe lässt sich bei anderen wesentlichen Fragen durchdeklinieren: Gesamtschule? Unbedingt, sagt die SPÖ, niemals die ÖVP. Studiengebühren? Dringend notwendig, sagt die ÖVP, kommt nicht infrage, sagt die ganze SPÖ, Frau Burgstaller redet ja nicht mehr mit. Bei Förderungen und Reformen geht das Spiel weiter. Gut, dass sich SPÖ und ÖVP wenigstens darüber einig sind, dass Österreich beim Euro bleiben soll.

In Deutschland läuft das völlig anders. Da treten Union und FDP – oder SPD und Grüne – zwar als (sehr) unterschiedliche Parteien auf, präsentieren auch verschiedene Programme, aber der Wähler kann zumindest ungefähr abschätzen, was ihn bei der Mehrheit des einen Lagers erwartet. Sie/er kann sogar Schwerpunkte durch Wahl einer Partei des gewünschten Lagers stärken.

In Österreich hat sich die FPÖ de facto schon aus dem Spiel um eine Regierungsbildung herausgenommen. Heinz Christian Strache will nur als Nummer 1 regieren – sehr unwahrscheinlich – und er will den Schilling wieder haben, wie er im KURIER angekündigt hat. Da macht nicht einmal Stronach mit.

Uns Wählern bleibt de facto also nur die Wahl, ob wir Faymann oder Spindelegger als Kanzler wollen. Und ob wir die beiden Regierungsparteien so schwächen, dass sie einen dritten Partner brauchen, was wohl nur die Grünen sein können. So haben wir zwar mehr Parteien im Parlament, aber das, was eine Demokratie auch ausmacht, ein Regierungswechsel, steht wieder nicht an.