Es geht uns gut, machen wir’s kaputt
Von Andreas Schwarz
Ach ja, da war noch was: Eine Bundespräsidentenstichwahl ist ausständig. Wir hatten erstmals kein Staatsoberhaupt, das am Nationalfeiertag-Abend mahnend-aufmunternd zu uns sprach. Aber wir haben Kandidaten, die das nächstes Jahr gerne tun wollen. Und die sich dafür auf Österreich berufen.
"Österreich dienen und keiner Partei", plakatiert der eine ebenso wie "Nur gemeinsam sind wir Österreich"; "Österreich braucht Sicherheit" der andere, und weil das mit dem Wahlsieg nach dem Wahlpallawatsch nicht so sicher ist, auch: "So wahr mir Gott helfe". Kirchen und Medien alterieren sich über diese Anrufung, dieweil auch die Neos auf der Österreich-Welle surfen: "Österreich geht anders" – es kann nicht genug politische Plakate geben.
Aber wie geht und wie geht’s Österreich? Die Alpenrepublik ist gemessen an ihrer Wirtschaftsleistung immer noch das viertreichste Land in der Europäischen Union. Auch wenn Arbeitslosenzahlen und Lebenshaltungskosten steigen, die Standortattraktivität sinkt, ist der Wohlstand noch höher: Beim Individualverbrauch, also Gütern und Dienstleistungen, die konsumiert werden, liegt Österreich hinter Luxemburg und Deutschland auf Platz drei.
Wir haben eines der bestfunktionierenden Gesundheits- und Sozialsysteme. Und wir leisten es uns unverdrossen, für Bildung und Gesundheit viel (Steuergeld) auszugeben und wenig in Spital/Schule ankommen zu lassen, weil wir unsere Doppel- und Dreifachstrukturen schützen, als wär’s der Heilige Gral.
Das böse System und der Außenfeind
Trotz dieses Wohlstandsbefundes liegt in Österreich eine Partei in Umfragen voran, die den Wohlstand wahren will, indem sie das System zu zerstören verspricht, das ihn mitgeschaffen hat. Das ist kein österreichisches Phänomen, aber hier besonders augenfällig: Es geht uns gut, machen wir’s kaputt. Zur Not mit einem "Bürgerkrieg", vor dem Herr Strache warnt – weiß der Mann überhaupt noch, wovon er spricht? Oder zettelt er ihn gerade an?
Den politischen Teufel im Genick, tun die Regierungsparteien, was sie gerade noch können: Der eine Parteichef gelobt, das Richtige statt des Populären zu wollen, und wird von Parteifreunden zum politischen Abschuss freigegeben. Der andere tut das Populäre (gegen CETA sein, sich auf Instagram inszenieren) und holt sich den Applaus des Boulevards – mit dem auch noch nie eine Wahl gewonnen wurde.
Egal: Das Böse ist im Selbstverständnis vieler Österreicher und mancher Politiker ohnehin der Außenfeind, und der heißt a) Flüchtling und b) EU. Ersterer wird umso bedrohlicher dort empfunden, wo es gar keinen oder nur wenige gibt. Dafür tut die Europäische Union dank der Solo-Läufe ihrer Mitglieder gerade alles dazu, sich selbst sogar als Feindbild zu zersetzen.
Mahnend-aufmunternde Worte – vielleicht hätte es sie heuer mehr denn je gebraucht: gegen das Krankjammern eines tatsächlich sicheren und gemeinsam geschaffenen Österreichs. Für Mut und Optimismus. Wer weiß, ob die Rede nächstes Jahr nicht zu spät kommt.