Erwarten wir nicht zu viel von der Politik
Ein gutes Regierungsprogramm wird es nur geben, wenn die Angst vor Widerständen überwunden wird.
über Verhandlungen
In den nächsten Wochen haben politische Spekulationen Hochkonjunktur. Immer wenn Politiker sagen werden, dass es doch nur um die Sache gehe, werden sofort neue Namen möglicher Minister auftauchen. Und die Parteichefs von SPÖ und ÖVP werden weniger gefragt werden, was sie durchsetzen konnten, sondern wo sie umgefallen sind. Aber wir könnten diese Zeit auch dafür nutzen, einmal darüber nachzudenken, was wir von der Politik überhaupt noch erwarten, was Politiker eigentlich bewegen können.
Immer mehr Wähler verabschieden sich, die Wahlbeteiligung lag zuletzt beim Rekordtief von 74,9 Prozent. Andere, eher autoritär geprägte Menschen wiederum erwarten sich fast alles von der Politik. ÖVP-Chef Spindelegger erzählt, dass er im Wahlkampf einige hundert Mails pro Tag erhalten hat, viele davon mit dem klaren Anspruch auf einen persönlichen Vorteil, etwa einen Arbeitsplatz. Dafür haben manche auch ihre Stimme geboten. Das kann nur in einem Land passieren, wo man den Bürgern lange genug eingeredet hat, dass der Staat für alles zuständig ist. In Italien wurde das unter dem Stichwort „Clientilismo“ bis zum Exzess betrieben, konnte die traditionellen Parteien aber auch nicht retten, weil die Erwartungen immer höher werden und Politiker de facto immer weniger Einfluss haben.
Drei große Reformbereiche
Was kann dann eine neue Regierung überhaupt? Viel und wenig. Erfolgreich wird sie nur sein, wenn sie drei grundsätzliche Entscheidungen trifft. Erstens: Die radikale Reform der Bürokratie verbunden mit einem einfacheren und gerechteren Steuersystem, damit Bürger und Wirtschaft nicht sinnlos getriezt und behindert werden. Zweitens: Die Neustrukturierung unserer Sozialsysteme mit dem Ziel, dass die wirklich Bedürftigen und die Jungen (Stichwort Pensionen) davon profitieren. Und drittens ein Bildungssystem, das flexibler wird und sich an den unterschiedlichen Talenten der Kinder orientiert. Wenn SPÖ und ÖVP nur in diesen Punkten ein klares Regierungsprogramm schaffen, wird das dazu führen, dass sie gut organisierte Lobbys in beiden Parteien verärgern. Haben Werner Faymann und Michael Spindelegger so viel Kraft und Leadership? Oder ist die Angst, dieser ständige Gast der österreichischen Innenpolitik , wieder größer?
Aber die Regierung ist auch nicht für jeden Ärger im Land zuständig. Wenn die Lehrer ihr schlechtes Image beklagen, hilft Ursachenforschung weiter. Dasselbe gilt für Ärzte, die Gesundheitspolitik mit Standesanliegen verwechseln. Studenten sollen bei der Wahl ihrer Fächer frei sein, dürfen aber auch über Job-Chancen nachdenken. Der Staat kann bestenfalls die richtigen Rahmenbedingungen schaffen – und muss das auch deutlich sagen. Die Arbeitsplätze, die die Regierung in den Zeiten der verstaatlichten Industrie geschaffen hat, waren kurzlebig und teuer. Die gute Nachricht: Mehr Eigenverantwortung bedeutet auch mehr Freiheit.