Dieser Geburtstag war nicht zu feiern
Von Josef Votzi
Dieser Geburtstag war nicht zu feiern
über den Jahrestag der Regierung
Montag dieser Woche war für fast jedermann ein Montag wie viele andere. Auch aus dem Regierungsviertel in Wien sind keine außergewöhnlichen Vorkommnisse berichtet. Die Stimmung bei der vorangehenden Wochenend-Klausur in Schladming war zwar übereinstimmend gut. Überbordende Feierstimmung hielt aber niemand für angebracht – auch wenn es einen äußeren Anlass dafür gegeben hätte: Montag vor einem Jahr wurde gewählt, die Regierung beging ihren ersten Jahrestag freilich diesmal in aller Stille.
Geburtstagsstimmung wäre auch mehrfach fehl am Platz gewesen. Einige, die sich am 29. September 2013 der Wahl stellten, sind nicht mehr im Amt: Der ÖVP-Spitzenkandidat privatisiert in Luxemburg. Schlüsselstellen wie das Finanzministerium sind nicht einmal ein Jahr nach der Neuwahl neu besetzt. Die Halbwertszeit in den Spitzen-Jobs der Politik wird immer kürzer.
Die Neuen sind um die Herausforderung nicht zu beneiden. Politik ist ein sehr hartes Geschäft geworden. Dass ein Spitzenpolitiker der Mehrheit zumindest auf Zeit aus dem Herzen spricht, würde heute nicht einmal mehr einem politischen Virtuosen wie Bruno Kreisky gelingen.
Denn die Grundlagen für das "Kerngeschäft" der Politik, die breite Vertretung der Interessen bei der Organisation des Zusammenlebens, haben sich dramatisch verändert. Zwischen den Wünschen und Nöten von Hunderttausenden neuen Selbstständigen, der Ich-AGs, und jenen großer Aktiengesellschaften und Firmen, die die Industriellenvereinigung vertritt, liegen Welten – auch, wenn beide Gruppen auf die Vorsilbe Wirtschaft hören. Ein gut verdienender ältere Angestellter hat gegenüber einem Jungakademiker, der sich von Praktikum zu Praktikum hantelt, mehr zu verteidigen als gegenüber jedem anderen – auch wenn beide auf die Vorsilbe Arbeitnehmer hören.
Raus aus der Politik-für-Politiker-Falle
Der bleierne Ballast des geschützten Sektors mit unkündbarem Arbeitsplatz macht so auch das aktuelle mühsamen Ringen um einen Heeresumbau zur Herkulesaufgabe. Politik verkommt so zunehmend zu einem kleinteiligen Klientelgeschäft. Einen Sinn fürs große Ganze zu vermitteln, gelingt nur ganz wenigen. Angela Merkel gibt den Deutschen zumindest das Gefühl, die Dinge zu Hause und in Europa im Griff zu haben.
Zu erfolgreicher Politik gehört, auch emotionelle Bedürfnisse wie diese glaubwürdig zu bedienen. Zumal in Zeiten, wo immer mehr fürchten, zu kurz zu kommen.
Umso verheerender wirkt der dominierende Eindruck, den Politik noch immer mehrheitlich hinterlässt: Getrieben vom Machterhalt, vor allem beschäftigt mit sich selbst. An dieser Selbstbezogenheit ist die Parteiendemokratie zuletzt in Italien zerbrochen und hat für viele Jahre den fatalen Ruf nach einer starken Hand genährt.
Diesen Trend zu brechen ist die größte Herausforderung für das runderneuerte Regierungsteam in Wien – und gegebenenfalls ein guter Grund, einen der nächsten Geburtstage doch noch gebührend zu feiern.