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Conchita darf morgen nicht wieder Wurst sein

Conchita darf morgen nicht wieder Wurst sein

Josef Votzi
über Toleranz

Gestern war Conchita Wurst der heimische Star am schillernden Life Ball. Heute ist ihr Auftritt im Ausseer Land das Ereignis beim traditionellen Narzissenfest. Der Auftritt im steirischen Salzkammergut als bärtiger Mann in Frauenkleidern inmitten von Trachten- und Dirndl-Trägern verlangt noch mehr Courage als das gestrige Defilee am Laufsteg zum "Garten der Lüste" im Wiener Rathaus.

Zum einen ist Conchita Wurst hier als Tom Neuwirth aufgewachsen. Seine Eltern betreiben in Bad Mitterndorf ein Gasthaus. Sie standen und stehen zu ihrem Sohn, meiden aber, so gut es es geht, die breite Öffentlichkeit. Conchitas Vater fürchtete jüngst in einem seiner seltenen Interviews gar um das Leben seines Sohnes – er könne Opfer eines Anschlags werden.

Auch wenn Conchita Wursts Courage jüngst vom Bundespräsidenten bis zum Wiener Kardinal gewürdigt wurde; auch wenn ihm Kanzler und Kunstminister am Ballhausplatz nach der Heimkehr aus Kopenhagen einen Staats-Empfang bereiteten – die Angst vor abgründigen Reaktionen ist nicht unbegründet.

Unterirdischer Hass-Hurrikan

Offen homosexuell oder gar transgender zu sein, ist noch lange keine Selbstverständlichkeit. Tom Neuwirths Song-Contest-Sieg löste frenetischen Jubel auf offener Bühne, aber auch einen Hass-Hurrikan in den unterirdischen Welten des Internets aus. Selbst auf der Facebook-Seite des Bundespräsidenten tauchten homophobe Postings auf.

Blitzumfragen nach dem Song Contest zeigten: Die Sympathien für die Kultfigur Conchita sind zwar gestiegen, kaum jedoch das Verständnis für deren Toleranz-Botschaft. Vor dem Sieg meinten 60 Prozent, dass Wurst gut für das Image des Landes sei, danach stieg der Wert auf 80 Prozent.Aber wie würden die Österreicherinnen und Österreicher reagieren, wenn sich ihr eigenes Kind für ein Leben wie das von Wurst entschiede? Nur jeder Dritte würde sein Kind unterstützen, etwa gleich viele würden sich nicht einmischen, etwa jeder Fünfte würden versuchen, seinem Kind diesen Weg auszureden.

Und wie stehen die Österreicher nach der Wurst-Mania generell zum Thema Homosexualität? Ein Viertel aller Befragten "tut sich mit Homosexualität schwer", zehn Prozent bezeichnen Homosexualität offen als "nicht normal". Von breiter Toleranz und gelebtem Respekt ist Österreich noch ein gutes Stück Weges entfernt.

Keine Kampagne hat bisher aber geschafft, was Conchita Wurst mit dem Song-Contest-Sieg und danach gelungen ist: Noch nie wurde so viel über Homosexualität und Transgender öffentlich geredet.

Der Hype um Conchita Wurst macht aber auch sichtbar: Gelebte Toleranz ist mehr als oberflächliche Duldung oder freundliches Schulterklopfen. Denn wäre das Ausleben menschlicher Vielfalt tatsächlich bereits selbstverständlich, würde es weniger lauten Trubel um Conchita Wurst und mehr Jubel für Tom Neuwirth geben.