Nach Strache-Forderung: Südtirols heikle Geschichte
Von Andreas Schwarz
Wenn ein österreichischer Politiker mit der "Wiedervereinigung" Tirols liebäugelt, so wie FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache das in der italienischen Zeitung La Repubblica getan hat, dann ist das aufgrund der Geschichte Südtirols und der österreichischen Rolle bis heute doppelt brisant – und provokant.
Das heutige Südtirol war, mit kurzer Ausnahme zu Zeiten Napoleons und der Niederschlagung des Aufstandes Andreas Hofers, bis zum Ersten Weltkrieg Teil des österreich-ungarischen Habsburgerreiches. Nach Kriegsende wurde die Region südlich des Brenners (Vertrag von Saint Germain 1919 ) Italien zugeschlagen. Nach der Machtergreifung durch die Faschisten (1922) begannen diese mit der Umsetzung eines Italianisierungsprogramms in Südtirol: Die deutsche Sprache wurde im öffentlichen Bereich inklusive Schulunterricht verboten, Namen der Südtiroler Bevölkerung wurden ins Italienische übersetzt, der Zuzug italienischer Bevölkerung forciert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg einigten sich Österreich und Italien auf die Grundlage für ein Autonomiestatut für Südtirol und die deutschsprachigen Gebiete des benachbarten Trentino. Nach den Außenministern hieß es Gruber-De-Gasperi-Abkommen. In ihm wurde auch die Schutzmachtfunktion Österreichs für diese Autonomie verankert. Kurz darauf legte Rom jedoch die Provinzen Südtirol und Trentino zusammen, wodurch die deutschsprachige Bevölkerung in die Minderheit geriet. Eine neuerliche Assimilisierungs-Politik Roms (Zuwanderung italienischer Arbeiter nach Südtirol) führte in den 50er-Jahren zu einem wachsenden Widerstand, der 1961 in der berühmten "Feuernacht" gipfelte: Von 11. auf 12. Juni wurden in Südtirol 37 Strommasten gesprengt. Kontakte auch namhafter österreichischer Persönlichkeiten den Südtiroler "Bumsern" wurden stets vermutet.
In der Folge wurde die Südtirol-Frage von Österreich als Streitfall zur UNO getragen und damit "internationalisiert". 1969 wurde zwischen Italien und Österreich ein "Südtirol-Paket" geschnürt, das 1972 endgültig in Kraft trat und die Autonomie in weitesten Bereichen auf den Weg brachte. 20 Jahre später war sie weitgehend erfüllt, Österreich gab an Italien und die UNO eine „Streitbeilegungserklärung“ ab, behielt aber seine Schutzmachtfunktion.
Heute ist Südtirol, dessen Bevölkerung zu knapp zwei Dritteln deutschsprachig ist, eine der wohlhabendsten Regionen Italiens. Unabhängigkeitsbestrebungen kommen beständig von den Südtiroler Freiheitlichen, die bei den letzten Landtagswahl knapp 18 Prozent der Stimmen erzielten. Die seit jeher regierende Volkspartei steht für die Autonomieregelung – die in der Praxis aber auch bedeutet, dass in Südtirol die deutschsprachige und die italienische Bevölkerungsgruppe weitgehend nebeneinander leben, Schulen und öffentliches Leben getrennt sind. Österreichs Nationalrat fasste erst im vergangenen Juli eine Entschließung, die da lautet: "Selbstbestimmung kann auf verschiedene Weise verwirklicht werden. Für Österreich besteht kein Zweifel, dass die Südtirol-Autonomie völkerrechtlich auf dem Selbstbestimmungrecht beruht, das als fortbestehendes Recht von Südtirol in Form weitgehender Autonomie ausgeübt wird. Die Südtirol-Autonomie mit hohem Maß an Selbstgesetzgebung und Selbstverwaltung ist eine besonders gelungene Form der Selbstbestimmung."