Realitätsferne als olympische Disziplin
Von Stefan Schocher
Der Krieg im Kaukasus ist vorbei, das stimmt wohl. Aber befriedet ist er nicht.
über den Kaukasus-Konflikt
Russlands Führung ist zuletzt über ihren eigenen Schatten gesprungen; hat in salbungsvollen Gesten Menschen begnadigt, um die Olympischen Spiele doch noch mit Glanz und Gloria feiern zu können.
Ob Realitätsverweigerung oder nicht vorhandenes Problembewusstsein: Jetzt fliegen den Kontrollfreaks im Kreml handfeste Probleme um die Ohren. Die Anschläge in Wolgograd sind sichtbares Zeichen dafür. Sie relativieren das Bild, das sich Moskau für den Kaukasus zurechtgelegt hat: das einer Region, die nach Aufstieg und scheinbarer Aussöhnung im Rahmen der Russischen Föderation strebt. Der Krieg im Kaukasus ist vorbei, das stimmt wohl. Aber befriedet ist er nicht. Wo Armut auf Repressionen trifft, ist Extremismus eine logische, wenn auch unentschuldbare Folge. Diesen Umstand können auch wortreich ausformulierte Visionen nicht überdecken. Und auch keine Spiele in einem potemkinschen olympischen Dorf, dessen Glanz die handfesten Probleme Russlands nicht überstrahlen kann.