Europa lenkt vom eigenen Versagen ab
Von Andreas Schwarz
Wenn der europäische Finger auf Athen zeigt, dann lenkt er vom bisherigen Versagen der EU ab.
über Flüchtlingskrise und Griechenland
Die Nerven liegen blank. Nichts verdeutlicht das mehr als das kollektive Griechenland-Bashing.
Johanna Mikl-Leitner hat den Auftakt geliefert, als sie Athen mit dem Rauswurf aus dem Schengenraum drohte, wenn Griechenland nicht seiner Verpflichtung zur Flüchtlingsabhaltung respektive -aufnahme nachkomme. In Amsterdam haben die EU-Innenminister Druck auf das Land der 3000 Inseln gemacht, seine "Hausaufgaben zu machen". Belgien forderte ein Flüchtlingslager für 300.000 (!) im Großraum Athen. Und an Mazedoniens Südgrenze wird eine de facto Schengengrenze hochgezogen, an der jene Flüchtlinge stranden sollen, die es bis dorthin geschafft haben.
Jetzt mag man Griechenland Versäumnisse vorhalten. Bei der Registrierung von Flüchtlingen, mit dem Durchwinken von Asylsuchenden – so wie das andere EU-Staaten auch gemacht haben. Aber unter Hinweis auf die hohen Militärausgaben des fast bankrotten Landes darauf drängen, dass Griechenland den Flüchtlingsansturm aus der Türkei abhält bzw. die Versorgung der eingereisten Migranten übernimmt, ist absurd.
Wenn der europäische Finger auf Athen zeigt, dann lenkt er vom bisherigen Versagen der EU und von abenteuerlichen Alleingängen (wie Geldabnahme bei Flüchtlingen) ab. Die Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen hat aus mangelnder (ost-)europäischer Solidarität nicht funktioniert. Die Hotspots an den Außengrenzen sind auch nach Monaten nicht einmal im Ansatz umgesetzt. Und der Deal mit der Türkei, die als einzige Flüchtlinge von der Weiterreise abhalten könnte, scheitert einstweilen am Poker Ankaras. Beziehungsweise daran, dass sich Europa mit drei Milliarden Euro nicht von jenem Problem freikaufen kann, das es vor einem Jahr verschlafen und seither in Handlungsuneinigkeit verschleppt hat. Griechenland kann am wenigsten dafür.