Diese Türkei hat in der EU nichts verloren
Von Andreas Schwarz
Die Zauderer in der Union werden sich bestätigt sehen: Lieber nicht anlegen mit der Türkei
über türkische Drohungen
Der türkische Außenminister hat also angekündigt, von nun an "auf allen Ebenen gegen Österreich auftreten" zu wollen. Das ist die Antwort darauf, dass sich Österreich für ein Einfrieren der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei stark macht. Sie war absehbar. Kritik verträgt Recep Tayyip Erdoğan nicht. Die im Inneren lässt der Sultan vom Bosporus niederschlagen; die von außen lässt er mit sachlichen Argumenten wie diesem beantworten: Wenn Österreich nicht höflicher gegenüber der Türkei auftrete, werde man alle Vereinbarungen mit der EU aufkündigen, auch den Flüchtlingspakt.
Die Zauderer in der Union werden sich bestätigt sehen: Lieber nicht anlegen mit der Türkei, man braucht sie noch, und irgendwie wird man Ankara schon wieder auf den Pfad der Tugend zurückholen. Dementsprechend schaumgebremst fällt seit Sommer die Reaktion darauf aus, wie Ankara Rechtsstaat, Demokratie und Meinungsfreiheit mit Füßen tritt. Das EU-Parlament ist zwar wie Österreich für ein klares Signal an die Türkei, die Regierungen und Brüssel wollen davon aber nichts wissen.
Mag sein, dass der Vorstoß Kanzler Kerns gegen Beitrittsverhandlungen im August von innenpolitischem Kalkül getrieben war – wenn sich der Außenminister für die Schließung der Balkanroute feiern lässt, holt sich der Kanzler eben die Türkei-kritische Stimmung in der Bevölkerung ab. Mag sein, dass Sebastian Kurz die EU in Sachen Türkei auch deshalb blockiert hat, um daheim die Nase vorn zu haben, wenn es um populäre Außenpolitik geht.
In der Sache haben beide Recht. Diese Türkei hat in Europa nichts verloren, darüber ist nicht einmal zu verhandeln. Wenn die Türkei die Todesstrafe wieder einführt, werden vielleicht auch die übrigen EU-Staaten drauf kommen. Bis dahin wird sich die Türkei an Österreich abreagieren. Und Österreich das aushalten müssen.