Der große Triumph der starken Kanzlerin
Angela Merkel wurde nicht nur als deutsche Kanzlerin bestätigt.
über das Phänomen Merkel
Dieses Wahlergebnis ist ein Triumph, obwohl Angela Merkel dieses Wort nie in den Mund nehmen würde. Auch ihre Stimme verriet nicht, wie außergewöhnlich dieser Erfolg ist, als sie am Abend vor ihren Anhängern auftrat. Selten ist Macht so vorsichtig verpackt aufgetreten.
„Kohls Mädchen“ wurde Angela Merkel lange Zeit genannt, zuletzt musste sie sich „Mutti“ gefallen lassen. Es ist ja eigenartig, dass sich die Medien nur für Frauen politisch unkorrekte Bezeichnungen dieser Art einfallen lassen. Vielleicht ein Zeichen der Hilflosigkeit, mit der Politikerin Merkel fertigzuwerden. Aber spätestens seit diesem Sonntag ist die geborene Hamburgerin, die in der kommunistischen DDR in einem Pfarrerhaushalt aufgewachsen ist, ein Phänomen der deutschen Politik. Alle Kanzler nach dem Krieg wurden entweder abgewählt oder scheiterten an der eigenen Partei. Merkel verzichtete 2002 auf die Kandidatur, ließ den Bayern Edmund Stoiber verlieren und ist seither unschlagbar. Innerparteiliche Gegner wurden weggelobt oder weggeschubst. Der Koalitionspartner FDP verzweifelte an ihrer Konsequenz, und in Europa war kein deutscher Regierungschef so stark, wie sie es ist.
Aber was macht sie aus diesem riesigen Sieg, den sie nach einem lauen Wahlkampf errungen hat? Zunächst ist sie stark genug, um auch den Münchner CSU-Wahlsieger Horst Seehofer zu dominieren, und in der CDU geschieht ohnehin nichts gegen ihren Willen.
Und sie wird in Europa noch deutlicher die Macht Deutschlands einsetzen. Das wagte vor ihr kein deutscher Regierungschef. Lange galt der Spruch, Deutschland könne wirtschaftlich ein Riese sein, müsse aber politisch ein Zwerg bleiben. Das funktioniert nicht mehr in einer EU, die eine starke Stimme aus Berlin braucht. Aber jetzt muss Merkel entscheiden, was sie bisher hinausgezögert hat: Was wird aus den Eurobonds? Ändert sich die Rolle der EZB? Was wird aus den Entscheidungsstrukturen in der EU? Angela Merkel wurde als deutsche Kanzlerin bestätigt und wird ihre Stärke auch in Europa einsetzen müssen.
Anders als in Österreich ist in Deutschland der Widerstand gegen den Euro viel geringer, obwohl die Euro-kritische „Alternative für Deutschland“ schnell gewachsen ist. Interessant ist, dass rund ein Viertel ihrer (Protest)-Stimmen von der Linken kommt. Die FDP schaffte erstmals nicht die Fünf-Prozent-Hürde. Theoretisch könnte Frau Merkel jetzt mit den Grünen oder der SPD regieren. Die Grünen werden sich nach ihrem Verlust einmal mit sich selbst beschäftigen. Außerdem: Will Merkel große Reformen schaffen, braucht sie die SPD, schon wegen des Bundesrats, wo die sozialdemokratisch geführten Länder eine wichtige Rolle spielen. Das wird für die SPD eine Herausforderung. Die große Koalition von 2005 – 2009 hat der SPD das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte gebracht.