Meinung/Kommentare/Aussenpolitik

Für einen Frühling ist es sehr kalt

Die Binsenweisheit vom Frühling, auf den auch mal ein Herbst folgt, hat sich in der Region schnell bewahrheitet.

Andreas Schwarz
über die Arabische Welt

Eigentlich wäre es ein Tag zum Feiern: Heute vor zwei Jahren musste Hosni Mubarak, Inbegriff des arabischen Autokraten, dem Druck der Straße weichen. Kurz zuvor hatte es den Kleptokraten Ben Ali in Tunesien erwischt. Später sollte der verhaltensauffällige libysche Diktator Gaddafi vom Revolutions-Mob entleibt werden. – Der Westen bejubelte den „Arabischen Frühling“ als Aufstand für Demokratie und Freiheit nach der Finsternis des – mitunter vom selben Westen unterstützten – arabischen Despotentums.

Doch die Binsenweisheit vom Frühling, auf den irgendwann auch ein Herbst folgt, hat sich in der Region schnell bewahrheitet. Statt Demokratie nach naiv westlichen Vorstellungen hielt nur eine andere Form der autoritären Macht Einzug: In Ägypten regieren die Muslimbrüder, in Tunesien die scheindemokratische Islamistenpartei Ennahdha. Von Libyen aus strömen Radikale in den Norden Afrikas. Und in Syrien, wo aus dem Frühling gleich ein blutiger Bürgerkrieg geworden ist, ist die einzige bange Frage die, was nach Assad kommt – die Salafisten und andere Radikale stehen Gewehr bei Fuß und haben bald vielleicht noch ganz andere Waffen.

Das alles hat viel damit zu tun, dass es den Demokratie-Aufstand in der arabischen Welt in dieser Form gar nicht gibt. Die ist islamisch. Kaum jemand, bis auf eine auffällige Minderheit, strebt danach, just die westlichen Lebensformen zu übernehmen. Die Proteste sind welche gegen fehlenden Wohlstand und die abermalige Knechtung. Das, worum in diesem Arabischen Herbst gerungen wird, ist zudem die Verteilung der Macht. Und die Ausrichtung des Islam: ein traditioneller und trotzdem offenerer; oder ein radikaler, in strengster Auslegung von Koran und Scharia – Winter sozusagen. Im Moment ist es gerade sehr kalt.