Es ist Krieg – ob wir ihn sehen oder nicht
Von Stefan Schocher
Europas – und auch Österreichs – Verweigerungshaltung in der Ukraine-Krise ist hoch riskant.
über die EU und Russland
Gut, die Sanktionen der EU gegen Russland wurden erst einmal verlängert – aber eines hat die Debatte über dieselben vor allem auch unter dem Licht einer Russland recht zugeneigten neuen Regierung in Athen gezeigt: Die ohnehin seit jeher schwächelnde Einigkeit auf EU-Ebene bröselt zusehends. Eines muss aber klar sein: Wenn die EU in dieser Krise versagt und ihre Einigkeit verliert, dann ist sie als Werte-Union Geschichte. Denn es geht um nicht weniger als ihre Glaubwürdigkeit. Angesichts haarsträubender Brüche des Völkerrechts jetzt die Augen zu verschließen, frei nach dem Motto "Sanktionen bringen nichts, weil sie Gesprächskanäle verschließen" – und das gilt auch den Adressaten am Ballhausplatz –, ist tödlich. Welche Gesprächskanäle? Welche Vereinbarung hat die Führung im Kreml seit Beginn der Krise eingehalten? Welche getroffene Vereinbarung haben die Handlanger des Kreml in der Ukraine je eingehalten? Es gab eine Waffenstillstandslinie, die in den vergangenen Tagen an vielen Stellen übertreten wurde. Und ja, dieser Konflikt ist an einem Punkt angelangt, an dem auf beiden Seiten Gewaltakte passieren, die unentschuldbar sind. Das kann aber nicht als Entschuldigung dienen, uns herauszuhalten.
Dass die Sanktionen verlängert wurden, ist der denkbar schwächste Kompromiss, der angemessen wäre – was von Putin-Verstehern jetzt bitte nicht als Aufruf zu einer Militarisierung gelesen werden soll. Aber zu einem großen Teil kommt die schwache Gangart der Europäischen Gemeinschaft in dieser Krise schlicht Realitätsverweigerung gleich. Und wenn die Geschichte eines gelehrt haben sollte, dann Folgendes: Stillschweigen und wegschauen wird früher oder später bitter bestraft.