Meinung/Kommentare/Aussenpolitik

Der Traum, der nicht in Erfüllung ging

Rassismus ist in den USA immer noch Alltag.

Ulrike Botzenhart
über Martin Luther Kings Traum

Vor 52 Jahren, am 28. August 1963, hielt Martin Luther King in Washington vor 250.000 schwarzen und weißen Bürgerrechtsdemonstranten seine berühmte Rede "I have a dream". Er träumte vom Ende des Rassismus in absehbarer Zeit: "Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der sie nicht nach der Farbe ihrer Haut, sondern nach ihrem Charakter beurteilt werden." Fünf Jahre später wurde er erschossen. Sein Traum ging nicht in Erfüllung.

Rassismus gegen Schwarze blüht und gedeiht in den USA. Das zeigt sich nicht nur an den schlechteren Bildungs- und Berufschancen, das zeigt sich auch im Justizsystem und am Umgang der Polizei mit Schwarzen. Jeder Kontakt mit der Polizei, jede Verkehrskontrolle – und sei es nur wegen eines kaputten Rücklichts – kann bereits den Tod bedeuten. 24 schwarze Männer, allesamt unbewaffnet, wurden allein heuer von weißen Polizisten in den USA erschossen. Man könnte Erklärungen suchen, die nichts mit Rassismus zu tun haben; von nervösen, überforderten, vorschnellen Beamten reden. Doch Will Johnson, Polizeichef von Arlington (Texas), wo mit Christian Taylor das jüngste Opfer weißer Polizeigewalt beweint wurde, fand erstaunlich klare Worte: Der Tod Taylors habe sich nicht "isoliert ereignet", sondern in einer Zeit, in der "unsere Nation mit den Themen von sozialer Ungleichheit, Ungerechtigkeiten, Rassismus und polizeilichem Fehlverhalten ringt".

Noch immer. Und das unter einem schwarzen Präsidenten, von dem Sammy Davis jr. in den 60er-Jahren laut zu träumen gewagt hat. "Vielleicht ist hier ein Fünfjähriger, der einmal Präsident wird", sagte er vor schwarzen Zuhörern. Barack Obama ist 54. Er sollte mehr dafür tun, damit Kings Wünsche endlich in Erfüllung gehen.