Meinung/Kommentare/Aussenpolitik

Barack Obamas großes Versäumnis

Und was ist der Welt dazu bisher eingefallen?

Andreas Schwarz
über Syrien

Der syrische Bürgerkrieg sprengt alle Dimensionen, die man für das 21. Jahrhundert für möglich gehalten hätte. Sechs Millionen – jeder dritte Syrer – sind auf der Flucht, im Land oder unter unvorstellbaren Bedingungen zumeist in den angrenzenden Staaten. Rebellen und Armee setzen neben anderen Grauslichkeiten auch Giftgas ein – noch ist ja trotz Beweispropaganda der USA nicht erwiesen, wer für den letzten Einsatz verantwortlich war, bei dem auch Hunderte Kinder qualvoll ums Leben kamen.

Und was ist der Welt dazu bisher eingefallen?

Lange Zeit gar nichts. Dann eine Syrien-Konferenz, die mangels entscheidender Teilnehmer – Assad-Regime und einige Rebellengruppen – nicht zustande kommt. Dann Waffenlieferungen: Engländer und Franzosen wollten an Aufständische liefern, weil auch das Regime von Russland und Iran versorgt wird, aber einig wurde sich die EU nicht. Laufend Resolutionen im UNO-Sicherheitsrat, die nicht zustande kamen, weil sich Russland querlegte. Zuletzt ein Militärschlag, den die Amerikaner an der UNO vorbei vorantreiben wollen, weil sich dort ja Russland querlegt – und auch sonst kaum wer mit den Amerikanern zuschlagen will, da Beweislage und Ziel eines Angriffs unklar sind.

An diesem Armutszeugnis für die zivilisierte Welt hat auch der G-20-Gipfel in St. Petersburg nichts geändert, der keinen gemeinsamen Nenner zu Syrien gefunden hat.

Russland wieder ernst nehmen

Das hat viel zu tun mit dem Verhältnis Washington/Moskau. Im Kalten Krieg gleichgewichtige Kontrahenten, hat Russland sein Schwergewicht auf der Weltbühne längst eingebüßt. Es kompensiert das durch Aufrechterhaltung seiner restlichen strategischen Interessen und durch Obstruktion – auch gegen eine allzu große amerikanische Vormacht.

Das kann man übergehen, wie die USA das in selbstherrlicher bis pampiger Weise tun – Stichwort: Snowden-Affäre und das schulmeisterliche Verhalten gegenüber Russland. Oder man kann es mit Hans-Dietrich Genscher halten, dem großen deutschen Außenminister aus Kalten-Kriegs- und Wende-Tagen: Er rät im morgigen KURIER-Interview dazu, Russland als wichtigen Partner zu betrachten, einzubeziehen. Das müsste leichter sein als in Zeiten des Kalten Krieges und ist eine Frage der Bereitschaft, des Interessenausgleichs, des einander Respektierens, des Dialogs. Russland müsse wieder den Eindruck bekommen, dass man es ernst nimmt.

In der Tat: Gerade eine Führungsmacht sollte dieses Klavier spielen können (auch wenn damit eine Syrien-Lösung nicht automatisch einfacher wird). Davon sind die USA unter Barack Obama weit entfernt. Ein US-Präsident und Friedensnobelpreisträger aber, der das nicht schafft, der sich auf das „System“ ausredet, das gescheitert sei, der in St. Petersburg den Gastgeber lieber durch viele Gesten provoziert und in den Krieg zieht, der hat sein Amt und die Grundlage seines Friedenspreises gründlich missverstanden.