Zündstoff: Haarsträubend
Von Jürgen Preusser
Betrug bleibt Betrug – selbst wenn alle einander betrügen. Diese moralische Kluft ist nicht überbrückbar: Wer dopt, ist vorne dabei; wer nicht dopt, eben nicht. Zwar gibt es eine neue Studie, wonach nur jeder Zehnte zu unerlaubten Mitteln greife. Doch jede Studie spiegelt bekanntlich nur den gerade aktuellen Stand der Irrtümer wider.Das Geständnis Jan Ullrichs, wonach er bei Doping-Arzt Fuentes gewesen sei, ist keine Überraschung. Interessant ist nur, wie er darin den enormen Druck beschreibt, dem die Athleten der Spritzensport-Gesellschaft ausgesetzt sind. Doch jetzt macht Ullrich Werbung für das Haarwuchsmittel Alpecin, das den Slogan "Doping für die Haare" verwendet.Mit "Doping für den Führungsnachwuchs" beschreibt die Österreichische Hoteliervereinigung ein aktuelles Seminar. "Doping für Griechenlands Wirtschaft" versprach die EU vor Kurzem.Neulich in der Tennis-Kantine: Drei Pensionisten geben einander Tipps, welche Mittel das Tennisspielen auch im fortgeschrittenen Alter erträglich machen. Alle fünf angesprochenen Medikamente stehen auf der Dopingliste.
Kurz danach diskutieren sie über den Freispruch für Lance Armstrong, verurteilen einhellig "aufgeblasene Sportler" wie Contador und finden, dass die Krankengeschichte Rafael Nadals verdächtig klingt. Dann fällt das Unwort "Unschuldsvermutung": Gedopt sei, wer überführt werde. Punkt. Wer sich teure Anwälte und zuvor teure medizinische Berater leisten könne, werde also immer durchkommen. Schon ist der Themenwechsel vollzogen. Jetzt fallen die Namen Grasser, Strasser, Elsner – und das Wort "scheinheilig". Anti-Dopingagenturen könnten sich ihre Bemühungen ebenso wie Anti-Korruptionsbehörden in die Haare schmieren. Und zwar nicht als Haarwuchsmittel. "I geh’ in die Apothek’n", sagt einer. "Des Kreuz – waaßt eh ..." Ja, wir wissen.