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Haus und Hof verschenkt

Hat er versucht, seine Liegenschaften vor seinem ehemaligen Arbeitgeber in Sicherheit zu bringen?

Andrea Hodoschek
über Heinz Sundt

In der Anklageschrift über die Kursmanipulation der Telekom-Aktie hatte Staatsanwalt Hannes Wandl die Vermögensverhältnisse der Beschuldigten fein säuberlich aufgelistet. Bei Heinz Sundt stand zu lesen: Anteile an einer Wohnung in Kitzbühel, an einer Wohnung in Bad Vöslau und an einer Liegenschaft. Sowie ein Pensionseinkommen von rund 5500 Euro monatlich. Als am ersten Prozesstag die Vermögenslage der Angeklagten nochmals durchgegangen wurde, hatten sich die Liegenschaften plötzlich in Luft aufgelöst. Die gibt’s nicht mehr, erklärte Sundt knapp. Keiner fragte nach.

Im Grundbuch findet sich des Rätsels Lösung. Sundt hat die Immobilien verschenkt – an Ehefrau Brigitta und Sohn Thomas. Das wäre an sich nicht ungewöhnlich und kommt in vielen Familien vor. Handelt es sich doch um Liegenschaften von beträchtlichem Wert. Die Wohnung ist in bester Lage in Reith bei Kitzbühel, die Villa in Bad Vöslau darf durchaus als imposant bezeichnet werden. Schließlich verdiente Sundt, von 2000 bis 2006 Telekom-Generaldirektor, immer hervorragend. Der politisch bedingte vorzeitige Abgang wurde ihm noch mit einer Abfindung von mehr als zwei Millionen Euro versüßt.

Bemerkenswert ist allerdings das Datum des Schenkungsvertrages: 10. Februar 2012. Zu diesem Zeitpunkt musste Sundt bereits bewusst gewesen sein, dass er in der Kursaffäre auf der Anklagebank sitzen wird.

Die Staatsanwaltschaft informierte am 1. Februar darüber, dass der gesamte Akt inklusive Abschlussbericht vom 6. bis zum 10. Februar im Verteidigerzimmer des Wiener Straflandesgerichts aufliegt. Dort kann jeder, der Anwalt ist, Einsicht nehmen.

Sonnenklar war, dass die Telekom im Fall einer Verurteilung mit Forderungen kommen würde. Am 31. Jänner 2012 schloss sich das Unternehmen dem Strafverfahren offiziell als Privatbeteiligter an. Die Telekom machte im Prozess insgesamt 9,9 Millionen Euro an Schadenersatz geltend und bekam diese vom Schöffengericht voll zugesprochen.

Die Summe errechnet sich aus den Bonus-Zahlungen an die Ex-Vorstände und Mitarbeiter (8,8 Millionen Euro), abzüglich bisher zurückbezahlter Prämien sowie rund 2,4 Millionen, um die das Unternehmen für die Bargeldproduktion und die Scheinstudien zur Entlohnung des Brokers Johann Wanovits erleichtert wurde.

Sundt wurde am vergangenen Mittwoch als Einziger der fünf Angeklagten freigesprochen, doch das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Außerdem droht dem ehemaligen Generaldirektor schon die nächste Anklage. Die Staatsanwaltschaft will in der Sache „Schillerplatz 4“ vor Gericht gehen, der Vorhabensbericht liegt bei der Oberstaatsanwaltschaft. Dabei geht es um die Frage, ob die Telekom zwei Geschoße ihres Stadtpalais zu billig an den ehemaligen ÖBB-Chef Martin Huber verkaufte. Auch diesem Fall hängt sich die Telekom als Privatbeteiligter an, sie errechnet ihren Schaden mit rund 4,4 Millionen Euro.

Das Unternehmen hat im Jänner 2013 die Schenkungsverträge der Familie Sundt beim Bezirksgericht Baden angefochten. Sicherheitshalber, um für allfälligen Schadenersatz keine Fristen verfallen zu lassen.

Hat Sundt versucht, seine teuren Liegenschaften vor dem Zugriff seines ehemaligen Arbeitgebers in Sicherheit zu bringen? Das vermutet jedenfalls die Telekom.

Wolfgang Emberger, langjähriger Anwalt von Sundt in Zivilsachen, hat für die terminauffälligen Schenkungen eine harmlose Erklärung, nämlich die innenpolitische Debatte in Österreich über die Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer: „Als der Verfassungsgerichtshof die Eintragungsgebühr aufhob und ab Herbst 2011 eine politische Diskussion begann, haben viele Familien über eine Neuordnung diskutiert, und auch die Familie Sundt hat sich zur Transaktion entschlossen.“

Der Zeitpunkt war rein zufällig?

Damals sei nicht zu erwarten gewesen, dass gegen Sundt Anklage erhoben wird, beteuert Emberger. Sein Büro habe „nie Akteneinsicht genommen“. Wahr sei vielmehr Folgendes: Der auf Urlaub befindliche Strafverteidiger habe Emberger am 2. Februar 2012 gebeten, in der Folgewoche Akteneinsicht zu nehmen. Weil Emberger ebenfalls in den Ferien weilte, machte sich ein Mitarbeiter ins Verteidigerzimmer auf. „Infolge des Umfangs der Akte“ – geschätzte 10.000 Seiten – schaute er aber gar nicht näher hin. Kopieren kostet 60 Cent je Seite, daher habe man erst am 13. Februar Staatsanwalt Wandl um die wesentlich billigere DVD gebeten.

Andere Anwälte in diesem Fall waren flinker, sie erhielten die DVD bereits am 2. Februar. Auch vorher schon konnten die Advokaten bei der Staatsanwaltschaft in den Akt einsehen. Als das Konvolut im Verteidigerzimmer auflag, hätte der Mitarbeiter gar nicht erst den gesamten Aktenberg durchackern müssen, der Abschlussbericht hätte gereicht. Man sei eine Zivilkanzlei und keine Strafverteidiger, kontert Emberger. Da kennt man sich mit den Usancen am Straflandesgericht offenbar nicht so aus.

Zum Fall Schillerplatz:

„Mein Mandant hat sich davon nicht betroffen gefühlt“ (Emberger). Die Grün-Abgeordnete Gabriela Moser hatte freilich bereits im September 2011 erneut eine Anzeige eingebracht und die Justiz ermittelte wieder.

In dieser Causa kommt übrigens Gutachter Roland Popp unter Beschuss. Er ist nicht der erste Sachverständige der Staatsanwaltschaft, der von Verteidigern attackiert wird. Die Expertise des Architekten belastet die Beschuldigten Sundt, seinen ehemaligen Telekom-Vorstandskollegen Stefano Colombo (fasste in der Kursaffäre 3 Jahre Haft aus, nicht rechtskräftig), den ehemaligen ÖBB-Boss Huber und dessen Ehefrau Barbara Huber-Lipp schwer. Die Palais-Etagen seien zum Zeitpunkt des Verkaufs an die Hubers nicht 5,4 Millionen, sondern 9,8 Millionen wert gewesen. Die Baufirma Seeste zahlte dem Ehepaar Huber rund ein Jahr später knapp elf Millionen Euro.

Sundts Anwälte bezweifeln nicht nur den Inhalt. Der Gutachter verrechnete 210.000 Euro. „Ich bin seit 25 Jahren im Immobilienbereich tätig, aber derart hohe Kosten für die Schätzung eines Immobilienwertes habe ich noch nicht erlebt“, empört sich Emberger. Die Staatsanwaltschaft habe kein Kostenlimit vorgegeben. Anstatt ein Gutachten über den Wert der Immobilie an drei Stichtagen zu machen, habe Popp drei Gutachten erstellt. Weshalb die Kosten – bei Verurteilung müssen die Angeklagten zahlen – angefochten wurden.

Die Telekom erhält demnächst Post von Sundt. Der musste die Prozesskosten aus eigener Tasche löhnen. Der Konzern hat für seine Vorstände Rechtsschutzversicherungen abgeschlossen, sich jedoch „trotz mehrfacher Aufforderung“ geweigert, diese freizugeben. Sobald der Freispruch rechtskräftig ist, will sich Sundt seine Anwaltskosten von der Versicherung zurückholen.

Bleibt noch die Frage, ob und wann er seinen Bonus von 392.719 Euro an die Telekom refundiert.