AMS-Besetzung: Juristin packt aus
Von Andrea Hodoschek
Die couragierte und SP-nahe Juristin geht mit der Gewerkschaft, dem Sozialminister und der Wiener SPÖ hart ins Gericht. Sie will aber keine Rache nehmen, sondern solche Vorkommnisse für die Zukunft verhindern.
KURIER: Wie geht es Ihnen nach dieser Entscheidung des Ministers?
Ingeborg Friehs: Ich bin noch immer überrascht, dass so etwas möglich ist. Ich habe in allen Stufen des Bewerbungsverfahrens als Beste abgeschnitten. Drei Viertel des Landesdirektoriums haben für mich votiert, mein Hearing im Verwaltungsrat war laut Rückmeldungen ausgezeichnet und der externe Personalberater hat mich an erster Stelle gereiht.
Werden Sie diese Entscheidung hinnehmen oder sich wehren?
Ich lasse derzeit alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen und mache mich – ich bin Juristin – selbst auch kundig. Die Entscheidungsgremien sind an das Stellenbesetzungsgesetz gebunden und das gilt auch für den Minister. Diese Entscheidung ist unter politischer Willkür zustande gekommen, ohne dass die sachlichen Vorergebnisse berücksichtigt wurden. Die Entscheidung selbst kann nicht angefochten werden, aber ich kann Schadenersatzansprüche stellen.
Sehen Sie sich als Polit-Opfer?
Verlieren tut immer weh, doch unter solchen Umständen zur Verliererin gestempelt zu werden, tut besonders weh. Ich will aber nicht die beleidigte Leberwurst oder den Rache-Engel spielen. Ich gebe mich auch nicht der Illusion hin, dass ich der erste und einzige Fall wäre. Sondern ich will verhindern, dass solche Entscheidungen in Zukunft wieder passieren.
Sie sind sehr couragiert, fürchten Sie nicht um Ihre weitere Karriere?
Ich habe keine Angst, obwohl auch jetzt subtil Druck ausgeübt wird. Da wird sehr rasch mit dem Dienstrecht gewachelt beziehungsweise die Botschaft vermittelt, wenn du nicht schweigst, dann kriegst du eben gar nichts. Trotzdem habe ich mich entschlossen, zu sprechen, denn ich hoffe, dass anderen Bewerbern solche Erfahrungen erspart bleiben.
Hinter den Kulissen ist zu hören, dass die Wiener SPÖ Sie unbedingt als AMS-Chefin verhindern wollte.
Das sehe ich auch so. Und das ist unglaublich unaufrichtig. Da kann man schon zur Zynikerin werden: Wenn man will, dass nur politisch konforme Kandidaten zum Zug kommen, soll man das gleich in der Ausschreibung so formulieren und ein politisches Leumundszeugnis verlangen. Da wird ein Dreivierteljahr ein Auswahlverfahren durchgeführt, bei dem vor dem Start schon fest stand: Friehs muss als Geschäftsführerin verhindert werden.
Das wird schwer zu beweisen sein.
Ich habe entsprechende Unterlagen. Außerdem hat einer der Kandidaten schon im Jänner 2011, also neun Monate vor der Ausschreibung, zu mir gesagt, Wiens Vizebürgermeisterin Brauner habe ihn ersucht, sich zu bewerben und auch der Minister habe ihn gebeten. Das sei ihm sehr unangenehm, weil wir immer bestens zusammengearbeitet hätten.
Hat Minister Hundstorfer selbst auch Druck auf Sie ausgeübt?
Er hat mir persönlich gesagt, dass aus der Gemeinde Wien Druck gegen mich kommt. In der Folge hat er einen hochrangigen Mitarbeiter geschickt, der mich nach allen Regeln der Kunst bearbeitet hat, dass ich mich nicht bewerbe. Ich sollte mich um die stellvertretende Geschäftsführung bewerben – diesen Posten würde ich sicher kriegen –, aber keinesfalls um die Chefposition. Auch er hat mir gegenüber erklärt, dass mich die Gemeinde Wien nicht will. Er habe einen ganz klaren Auftrag. Sollte ich mich widersetzen, würde ich schon sehen, was passiert.
Es wurde also ganz massiv Druck auf Sie gemacht?
Ja, aber ich habe mich nicht beirren lassen, weil ich das unerhört finde. Ich habe ganz klar kommuniziert, dass ich mich diesem Druck nicht beugen werde. Für mich ist das eine politische Aktion unter dem Motto: Friehs muss verhindert werden. Hätte es keine anderen Bewerber gegeben, hätten sie vermutlich sogar einen Hydranten an die Spitze des Wiener AMS gesetzt, nur um mich nicht bestellen zu müssen.
Spielt es auch eine Rolle, dass Sie eine Frau sind?
Offensichtlich nicht, denn als neue Chefin wurde ja auch eine Frau bestellt. Aber mir haben etliche Männer im AMS gesagt, mit einem Mann wäre nicht so umgegangen worden. Ich finde es übrigens besonders respektlos und feige, dass ich die Entscheidung aus den Medien erfahren habe. Das ist doch jämmerlich.
Was hat die Wiener SPÖ eigentlich gegen Sie?
Ich war eine der Ersten, die sich zu sagen getraut hat, dass der Wiener ArbeitnehmerInnenförderungsfonds WAFF eine teure Parallelstruktur zum AMS ist. Außerdem habe ich immer wieder eingefordert, dass die Geschäftsführung des AMS nicht mit Sitz und Stimme im WAFF-Vorstand vertreten ist. Das hat auch der Rechnungshof kritisiert, und ich halte es für unvereinbar. Diese Konstruktion dient, so verstehe ich es, nur zur Absicherung der Mehrheitsverhältnisse der Stadt Wien.
Warum sind Sie dann nicht als WAFF-Vorstand zurückgetreten?
Stellen Sie diese Frage bitte Herrn Minister Hundstorfer.
Zwischen dem Wiener AMS und dem WAFF gibt es seit Jahren Spannungen.
Es gab gemeinsame Programme oder Projekte, die das AMS nicht immer für sinnvoll hielt. Wenn nämlich trotz hoher Kosten kein Beschäftigungseffekt erzielt wurde. Etwa wenn ein Projektplatz 100.000 Euro kostet und die Teilnehmerin weiterhin arbeitslos ist. Da stellt sich die Frage, ob hier mit öffentlichen Geldern nach den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit umgegangen wird. Es kommt aber gar nicht gut an, wenn Sie das aussprechen.
Der Personalberater hat Ihre Konsens-Fähigkeiten hervorgehoben.
Auszugleichen ist für diese Position wichtig, weil man mit vielen Akteuren verhandeln muss. Ich erwarte aber von meinen Gesprächspartnern, und dazu gehört auch die Gemeinde Wien, dass wir auf Augenhöhe sprechen und ich nicht der blinde Vollstrecker auf Zuruf bin. Ich will, dass das AMS eine selbstständige Organisation bleibt und nicht vom Wiener Rathaus ferngesteuert wird.
Haben Sie nie das Gespräch mit Bürgermeister Häupl oder seiner Vize Renate Brauner gesucht?
Natürlich, mehrfach. Aber ich wurde abgeblockt.
Wirtschaftskammer-Chef Leitl hat sich voll hinter Sie gestellt und von Postenschacher gesprochen. Sie gehören zum roten Lager, ist das nicht Applaus aus der falschen Ecke?
Dass sich die Arbeitgeber für mich aussprechen, freut mich sehr. Das sehe ich als Bestätigung einer guten Zusammenarbeit im AMS. Die Arbeitnehmer-Vertreter haben mir immer wieder versichert, wie gut wir kooperieren und dann werde ich derart behandelt.
Was erwarten Sie jetzt?
Dass ich voll rehabilitiert werde.
Ein Bestellungskrieg auf tiefem Niveau
Seit dem Vorjahr tobte eine wilde politische Schlammschlacht um die Neubestellung der Leitung des Wiener AMS. Eine Strafanzeige zwei Wochen vor Beginn der Ausschreibungsfrist im September 2011 gegen die politisch unerwünschte Kandidatin Ingeborg Friehs, die im Hintergrund permanent desavouiert und denunziert wurde, war wohl kein Zufall. Damals war bereits breit bekannt, dass Friehs sich bewerben würde .
Peter Predl, Vorstand der U.M.Bau AG – ein Bauträger, der auch eine Ausbildungsakademie führt – fühlte sich vom Wiener AMS bei einer Auftragsvergabe übergangen. Er brachte bei der Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige gegen Friehs ein, die zu diesem Zeitpunkt Vize-Chefin des AMS war. Dem KURIER wurde ein eMail zugespielt, in dem Predl am 6. September 2011 die Anzeige einer Mitarbeiterin von Sozialminister Hundstorfer übermittelt (siehe Faksimile). Mit dem Hinweis: "Wie bei der Besprechung mit Herrn Bundesminister Hundstorfer vereinbart ...".
Hat Predl die Anzeige im Ministerium besprochen, möglicherweise sogar mit dem Minister selbst? Die Vorwürfe gegen Friehs haben sich inzwischen in Luft aufgelöst, die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen eingestellt.
Wien ist mit 1600 Mitarbeitern und 350 Fördermillionen die größte AMS-Landesorganisation. Arbeitnehmer-Vertreter hatten die Entscheidung über die neue Führung im Verwaltungsrat bis zuletzt blockiert. Daher musste laut Gesetz der Minister entscheiden...
-
Hauptartikel
-
Hintergrund
-
Interview