Meinung/Kolumnen/Mitte

wien mitte: Alles Mist

Ein Familienmitglied, bislang wohnhaft am Limes zwischen Hernals und Ottakring, übersiedelte jüngst nach Transdanubien, und ich bot mich und den Leichenwagen als Hilfestellung an. Die Mission - Clint Eastwood hätte gesagt: ein dreckiger Auftrag - lautete: Glumpert, Grusch und Kramuri aus dem Keller in den Leichenwagen und mit mit diesem zum Mistplatz zu verfrachten. Nach Ansicht des Stadtplans entschied ich mich für den Hernalser Mistplatz in der Richthausenstraße, anrainend an den Hernalser Friedhof. Ich liebe Totenäcker wie Mistplätze und bin stets für eine Exkursion bereit. Als ich mit meiner ersten Fuhre Sperrmüll in der Richthausenstraße eintraf, bemerkte ich, dass das Areal, an einen großen 48er-Stützpunkt angrenzend, viel, viel größer ist als unsere kleine Sankt Marxer Mist-Farm. Und die vielen 48er, die hier Dienst taten, waren, naja, sagen wir, strenger als bei uns. Mehrfach wurde ich wegen möglicherweise ja ungenauen Parkverhaltens gerügt und wegen möglicherweise ja unscharfer Containerauswahl beim Wegwerfen brüsk belehrt. Ich gelobte Besserung und fuhr zur Verwandtschaft zurück.

Bei meiner zweiten Fahrt zum Mistplatz legte ich mustergültiges Entsorgungsverhalten an den Tag, blieb ungeschimpft und konnte beobachten. Ich glaubte schließlich zu verstehen, weshalb die Orangen im Westen so streng waren. Hier nämlich kommt eine Spezies von Wegschmeißern vor, wie ich sie in Sankt Marx so noch nicht erlebt habe. Irgendwie trapperartige Männer, mit vielen verschiedenen Bärten, geröteten Gesichtern und altersmäßig, wie man früher sagte, in den besten Jahren. Sie kamen in Kleinbussen, die wirkten, als hätten sie die letzten fünfundzwanzig Jahre zwischen all dem Mist, den sie nun enthielten, in muffigen Garagen gestanden - nun aber brächen sie auf zu ihrer letzten Fahrt. Die Trapper waren nervös, die Busse stotterten, die Container klapperten, die 48er schimpften. Aber ich verstand die Anspannung der bärtigen Busbesitzer. Wer weiß, setzten sie gerade jetzt den ganz großen Befreiungsschlag. Sie brachten erst einmal den Mist fort, vielleicht würden sie nachher gleich die Busse wegschmeißen, vielleicht sich als nächstes rasieren. Vielleicht begannen sie genau jetzt ein neues Leben.