Meinung/Kolumnen/Mitte

Verbrechen

Liebe Opernfreunde: Tosca ist von Puccini, jawohl!

Ernst Molden
über Tosca von Puccini.

Seit Swetlana Geier Dostojewskis unvergleichliches Buch neu übersetzt hat, heißt es nicht mehr Schuld und Sühne, sondern Verbrechen und Strafe. Der viel bessere Titel! Ein Titel, wie erfunden auch für meine letzte Woche. Mein Verbrechen nämlich war, in der vorvorigen Kolumne die Oper Tosca dem Tonsetzer Verdi zugeschrieben zu haben.

Mein Verbrechen war schlampert, lässlich, unnötig. Es tat mir sofort leid. Und dennoch folgte meine Strafe auf dem Fuß: Die Opernfreunde waren entfesselt. Die österreichischen Opernfreunde erinnern mich an die Ents, die Baumhirten in Tolkiens „ Herr der Ringe“. Die sind jahrtausendelang einfach nur Bäume, unauffällig, hölzern, still. Aber wenn wer ihren Wald beleidigt, werden sie schreckliche, zornerfüllte Kreaturen, die auf ihren Stamm-Beinen aus dem Gehölz stürmen und alles kaputtschlagen. Die gefühlte Hundertschaft von Opernfreunden, deren E-Mails und Anrufe über mich hereinbrachen, verhielt sich im Ton zu einem Teil sehr freundlich und höflich, zu einem, leider größeren, Teil, von einer Arroganz und Dünkelhaftigkeit, die der Isoliertheit ihres Herzensgenres in der Restwelt zu entsprechen scheint.

Liebe Opernfreunde: Tosca ist von Puccini, jawohl! Vom großen, hochleiwanden Puccini! Nein, sorry, NICHT von Verdi! Es! Tut! Mir! Eh! Urleid! Und ich möchte euch jetzt eine Geschichte erzählen. Sie spielt unter Folk- und Bluesmenschen, also bei meinem Volk. Bei einem Konzert schrieb ich einst die Autorenschaft von „Going Up The Country“ dem legendären Blind Lemon Jefferson zu. Der anwesende Erik Trauner, Chef der Mojo Blues Band und einer der besten Musiker dieses Genres, erzählte mir im Anschluss ganz sanft, warum das falsch sei, weil der Blues nämlich von Henry Thomas geschrieben wurde. Trauner erzählte wie ein bescheidenes, kristallklares Bacherl der Weisheit, vorwurfslos und bildend. Nachher wusste ich alles über Henry Thomas. Ich kaufte mir eine Platte. Ich verehre Thomas seither. Liebe Opernfans! Man kann auch korrigieren, Wissen und Wahrheit weitergeben, ohne eigenen Distinktionsgewinn daraus zu schöpfen. So kommt Luft in den Wald. Und die schrecklichen Ents können sich entspannen.