"Se Moul"
Von Ernst Molden
Ich erinnere mich, wie vor Jahren seitens der Stadtregierung von kulturellen Impulsen gesprochen wurde.
über "Se Moul"
Die Sprache hat zuweilen recht: Unlängst hörte ich zwei junge Erdberger Frauen vereinbaren, dass sie einander nachmittags noch in „The Mall“ treffen wollten, wie Wien Mitte zunehmend genannt wird (fein, der alte Name schwappt damit wieder in meine Richtung). Der Landstraßer und die Landstraßerin sprechen das allerdings eher wie „Se Moul“ aus, sodass es mehr nach Maulwurf als nach Einkaufszentrum klingt, was einerseits wurscht, andrerseits aber auch passend ist.Ich bin selten beim Maulwurf. Am Wochenende manchmal bei meinen lieben und lässigen Trafikanten, deren wilde Freiheit in der Provisoriums-Baracke jetzt beendet ist, zugunsten jener etwas klaustrophobischen Trafik im Eingangsbereich des Maulwurfs, die sie dennoch mit ihrer Coolness zu erfüllen vermögen. Allerdings ging ein Mitglied unserer Brut (Name der Redaktion bekannt) vor kurzer Zeit da runter, weil es sich mit seinen Freunden in der viertausendköpfigen Schlange verabredet hatte, die sich um ein Autogramm des Rap-Unterhalters 50 Cent anstellte. Diesem Mitglied unserer Brut wurde in der Schlange vorübergehend flau. Die Sanis führten ihn kurz an die Luft, und reihten ihn versehentlich mehrere Tausend Menschen weiter vorn in die Schlange zurück. Drum kriegte er grad noch ein Autogramm, obwohl er nicht zwei Hunderter für 50 Cent-Signature-Kopfhörer ausgegeben hatte, um damit in die „fast lane“ zu kommen. Der „Falter“ fragt nun nicht ganz zu unrecht, ob Se Moul jetzt die neue Lugner City ist. Ich erinnere mich, wie vor Jahren seitens der Stadtregierung von kulturellen Impulsen gesprochen wurde, was den Neubau des Bahnhofs anging. Ich erinnere mich, dass vor Monaten der Landstraßer Bezirksvorsteher den Bauträgern dieses Neubaus den Titel „Ritter der Landstraße“ verlieh. Und ich bin beeindruckt von dem Interview, das 50 Cent gerade dem „Spiegel“ gegeben hat. Auf die Frage der Redakteure, ob er Geldmachen als Kunst bezeichnen würde, sagt der Gangsterrapper: „50 Cent ist eine Marke, insofern ist es Geschäft. Aber sie wird durch Kunst begründet.“ Da blinzelt der Maulwurf in der Frühlingssonne.