Meinung/Kolumnen/Mitte

Baden im Stadionbad

Die nackerte Dame, ein Kunstwerk aus den Dreißigern, steht vor dem Damenkabinentrakt.

Ernst Molden
über das Stadionbad.

Drei Mal erst hielt ich meine Saisonkarte an den Saisonkartensensor des Stadionbades, um mit einem einladenden Vorrutschen der Drehschranke und dem Aufleuchten des grünen Lichterls eingelassen zu werden. Es war wenig Zeit heuer, immer irgendwas. Schade, ich wär gern öfter gekommen. Sehr fesch nämlich ist es heuer im Stadionbad. Die beiden Kabinentrakte sind renoviert, aber nicht verändert, nur schön hergerichtet, wie man früher gesagt hat. Geputzt, geweißelt, neue Kasterln. Ich, der Saisonnier, habe also einen neuen Kasterlschlüssel bekommen, den ich wie schon den alten nicht verwenden werde, weil ich der unverbesserliche „Wiesentyp“ bin.

Ich betrete das Bad, begebe mich an den Beckenrand und kleide mich im Schutz des Badetuches blitzartig um. Am Weg zum Beckenrand betrachte ich stets die Skulptur „Das Weib“ des Bildhauers Stendak. Die nackerte Dame, ein Kunstwerk aus den Dreißigern, steht vor dem Damenkabinentrakt. Sie verkörpert das Schönheitsideal der damaligen Zeit, nicht allzulange Beine, einen breiten, irgendwie gesund wirkenden Brustkorb, dichte Haare. Sie hat die Hände hinter dem Kopf verschränkt und blickt sich aus irgendeinem Grund in die eigene linke Achselhöhle.

Die Skulptur im Wiener Öffentlichen Raum hat Konjunktur. Selbst Bob Dylan hat eine der Damen vom Wiener Parlamentsbrunnen auf das Cover seiner neuen Platte „Tempest“ getan. Mich selbst haben Plastiken da draußen immer beruhigt. Schon als Kind, damals in den Untiefen Döblings: Der depressive Beethoven im Heiligenstädter Park. Der Nepomuk an der Brücke über den Schreiberbach. Und vor allem diese granitenen Tiere aus den 1950er-Jahren, die die Heiligenstädter Gemeindebauten, Parks und Hort-Vorplätze bevölkerten. Bären, Pferde, manchmal auch Exoten. Rundlich, etwas stilisiert, total beruhigend. Dunkles Urgestein. Tiere für alle. Teil meiner Heimischwerdung im Dritten war es, vor dem Kindergarten beim Arenbergpark genau so einen Bären zu finden.Das alles denke ich, während ich wie von Zauberhand ins Badekostüm gelange. Ich steige ins Wasser, wo es wärmer ist als in der Luft.