Meinung/Kolumnen/Mitte

Plattenteller für Weihnachtsfest

Am Heiligen Abend wird The Erdberg Family ihre Geburtsstunde erleben.

Ernst Molden
über das Konzept der Hausmusik

Was legt der Mensch auf seinen Plattenteller, wenn das Weihnachtsfest naht? Wir haben hier eine Auswahl. Was gespielt wird, ist umstritten. Manchmal setze ich mich durch, oft nicht. Selten erklingt beispielsweise das Christmas-Album der kaum zu überschätzenden Band Boney M., das die Liebste einst bei einem Quiz gewann. Die Platte besticht vor allem optisch, durch ihr großzügiges Silber-Dekor, in welchem die fast nackten, dunklen Leiber der Sänger und Sängerinnen unweihnachtlich, aber beeindruckend herumliegen. Öfter legen wir Bing Crosby auf, was nicht besonders originell ist, aber irgendwie immer geht. Vom Uropa geerbt haben wir eine dicke vergoldete Fünffach-Vinylbox namens „Es begab sich aber zu einer Zeit“, Weihnachtsmusik mit Orchester und Chor. Das ist sehr schön, wird von der Brut aber als zu ernst empfunden. Familiärer Konsens hingegen ist das herrliche „Christmas In The Heart“ von Bob Dylan, vor allem von der Drittgeborenen wegen seiner teilweisen Tanzbarkeit kultisch verehrt. Mein Lieblingsstück: Christmas Island, worauf Bob sogar Aloha! singt.

Aber jetzt komme ich mit meiner eigentlichen Offenbarung. Ich nämlich liebe die Christmas Carols von John Jacob Niles, und wenn Sie jetzt Häh? sagen, antworte ich: John Jacob Niles (1892 - 1980), ein Titan des amerikanischen Folk, ehemaliger Tenor an der Oper von Chicago, passionierter Volkskultur-Forscher und König der Appalachen-Ballade. Marlene Dietrich nahm seine Lieder auf, Dylan baute sie in seine eigenen ein. Niles begleitete sich selbst auf der Dulcimer, einem enormen zitherartigen Instrument und sang im vibrierenden Falsett, was ihn hier wieder umstritten macht. Die Liebste wird nervös vor lauter Tremolo, und die Kinder sagen im freundlichsten Fall: Oag.

Aber ich beharre darauf: Das ist super und total weihnachtlich. Noch weihnachtlicher ist natürlich das Konzept der Hausmusik. Und so wird hier auch am Heiligen Abend The Erdberg Family ihre Geburtsstunde erleben. Der Zweit- und die Drittgeborene spielen Gitarren, die Liebste Ukulele. Ich schlage das Banjo und rufe unermüdlich: Proben, proben, proben!