Meinung/Kolumnen/Mitte

Old Austrian Trail

Die Liebste und ich allein zuhaus – was wie ein Wunder wirkt, ist ein familienplanerisches Kunstwerk, ein Geflecht aus Strategie und großmütterlichem Altruismus. Aber kaum war die eine Oma mit dem Erstgeborenen nach Italien, die andere Oma mit den Jüngeren in die Alpen entwichen, fanden die Liebste und ich einander an unserem Ausgangspunkt wieder: Wir waren ein Pärchen, und es war Sommer.

Wir können schalterumlegungsmäßig in diesen Pärchenmodus gleiten, der sich vom Ur-Pärchenmodus nur dadurch unterscheidet, dass wir uns heutzutage im Stundentakt vor Rührung fast weinend fragen, wie es wohl unseren abwesenden Kindern geht. Im Pärchen- modus angelangt, glitten wir im schwitzenden Leichen- wagen den Old Austrian Trail, den Sommerfrischepfad, nach Süden. Erste Station: Bad Fischau, wo wir uns ins frischeste Quellbecken der Welt warfen. Zweite Station: die Schluchten des Semmerings, wo wir endlich einmal selbst in jenem Berghotel schlafen wollten, das wir wie die Blinden eine Farbe schon so oft ausländi- schen Freunden empfohlen hatten, ohne jemals dort gewesen zu sein. Das Hotel, vom Architekten und modernen Überpapa Loos gestaltet, war dann wirklich sehr super, ein echtes Pärchenparadies, abgesehen von den singenden, von mir hochgeschätzten Zwillingsschwestern Roth, die, erstklassig gestylt, ein Glaserl tranken und uns zu unserer Hotelwahl beglückwünschten. Anderntags, noch etwas schwer von Wein, Pastete und Eierschwamm, strebten wir das eigentliche Ziel unseres höchstpersönlichen Old Austrian Trails an. Dritte Station: eine ganz spezielle Flussschlinge der Schwarza im Höllental, mit einer weißen Kiesbank und einem smaragdgrünen Gumpen zum Baden. Dort verlief dann der schönste Tag seit Jahren, in seiner vollendeten Ereignislosigkeit. Wir entfalteten Heftln und wachelten Insekten weg. Am anderen Ufer saß eine Handvoll fescher, junger Männer von der Sorte, wie wir sie gerade kollektiv Pirschelbären nennen, wozu uns eine unbezahlbare Kolumne des verehrten Kollegen Tartarotti inspiriert hat. Die Pirschelbären, halb so alt wie wir, wirkten dennoch ein bissl wehmütig, weil wir ein Pärchen waren und sie nicht. Das machte uns stolz, aber nur so lang, bis ich auf einmal schluchzend die Liebste fragte, ob unsere Brut wohl glücklich sei.

ernst. molden(at)kurier.at